Schlagwort: Streifzüge 2015-65
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Chronologisch
Obwohl ich Champions gar nicht mag und deren Queen-Hymne furchtbar finde, freue ich mich, wenn es Herbst und trübe wird, immer wieder auf die Champions League. So sind zumindest Dienstag und Mittwoch leichter zu überstehen. Nicht dass ich allen Spielen folge, schon gar nicht parallel auf verschiedenen Monitoren in irgendwelchen Wettlokalen. Nein, nein, ich knotze mich da brav vor die Kiste, hole mir ein Bier und nach der Halbzeit noch eines, gelegentlich auch einen Schnaps und schaue einfach in die Glotze.
Spiele, so scheint es, haben alle gern. Vorstellbar und darstellbar ist unter Spielen gar manches. Das Vokabular ist breit gefächert, alles andere als präzise. Ihm auf den Fersen zu bleiben, kein leichtes Unterfangen. Der Facetten sind viele, sodass eine Gesamtschau, wie sie hier versucht wird, schwierig ist.
„Kinder brauchen Grenzen“, tönt es aus Erziehungsratgebern, sonst würden aus kleinen Menschen später maßlose Monster werden. Gerne werden die empfohlenen Grenzen mit moralischen Werten drapiert, die Heranwachsenden Orientierung bieten sollen. Erstaunlicherweise findet sich eine ähnliche Argumentation bei jenen Eltern, die emanzipatorische Ansprüche hegen. Selbstbestimmung für alle – mit Ausnahme von Kindern?
Ein „europäisches Deutschland“ kämpft um einen deutschen Euro
Die Ursprünge des „Deutschen Europa“ lassen sich bis zu einer Epoche zurückverfolgen, in der Deutschlands Politeliten – in Anlehnung an ein Zitat Thomas Manns aus den 1950er Jahren – nur von einem „europäischen Deutschland“ sprechen wollten. Es war die Umbruchszeit nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und vor der deutschen Wiedervereinigung, in der die Grundsteine für die gegenwärtige Machtkonstellation in Europa gelegt wurden. Der maßgeblich von Frankreich durchgesetzte Deal lautete: Euro gegen Einheit.
Teil I - Von entfesselter Konkurrenz und Atomwaffen
Eigentlich leben wir in einer schönen Welt. Ein ausreichendes Maß Ressourcen an Naturstoffen, hochtechnologisierte Produktionsmittel und die historisch gewachsenen menschlichen Fähigkeiten könnten für alle Menschen ein gutes, genussvolles Leben frei von Armut und Hunger gewährleisten. Dass es so ungeheuer vielen Menschen auf diesem Planeten in den verschiedensten Schattierungsstufen schlecht geht, ist völlig unnötig.
Ist das Leben eine ernste Sache? Ein flüchtiger Blick in die Nachrichten genügt und schon erhalten wir indirekt Aufschluss. Ja, das Leben ist eine ernste Sache, lässt sich zweifelsfrei an den Mienen unserer Funktionäre ablesen, jenen Repräsentanten, Hüter, Verteidiger oder Verwalter dieser Ordnung: Ihnen haftet ein unverkennbarer, gestrenger, zuweilen sorgenvoller Ausdruck an, in ihren Wirkstätten, Regierungssitzen, Kirchen, Gerichtsgebäuden, Bankhäusern, Amtsstuben und Kasernen wohnen Gravität und Bedeutungsschwere, es zieht hinunter und selten wird gelacht. Dem Anschein nach steht hier nichts weniger als unser aller Leben selbst auf dem Spiel. Aber welches Leben und welches Spiel?
Vom Spiel wird oft gesagt, es sei das Gegenteil der Arbeit. Das mag für die gedankenlose Spielerei gelten, die als irrational-selbstbezogene Tätigkeit vielleicht wirklich keinen anderen Zweck hat als sich selbst. Nicht aber für das Spiel, das von der Spielerei strikt zu trennen ist.
Langeweile war gestern, ab sofort ist alles mitreißend, spannend und dazu noch sagenhaft interaktiv. So anders, weitaus lebendiger irgendwie als das „gewöhnliche Leben“ zu Zeiten noch eines Johan Huizinga. Kaum aus den Federn, reiht sich eine Herausforderung an die nächste. Schon „der Weg zur Küche wird zum Hindernislauf, bei dem man Punkte sammeln kann, Obst schneiden wird zum Geschicklichkeitstest, und der Weg zur Arbeit gestaltet sich wie ein Video-Spiel, bei dem es darum geht, finstere Gestalten so schnell wie möglich abzuschütteln. – Ein Morgen wie in einem Indiana Jones-Film mit Belohnungen in Form von virtuellem Applaus und Geschicklichkeitspunkten für richtiges Verhalten.
Seinen Vater vermisste Jacques zeitlebens. Er war noch kein Jahr alt, als dieser im Herbst 1914, nach anfänglicher Besserung, an den Folgen seiner Kriegsverwundung starb. – Nach der Zuwendung der Mutter sehnte sich Jacques zeitlebens. Die Beziehung zur ihr, einer hör- und sprachbehinderten Analphabetin, war von einer unüberwindlichen Barriere überschattet. Über die Familie in der kleinen Wohnung, in der auch Jacques’ älterer Bruder und sein Onkel im Armenviertel Algiers lebten, bestimmte die herrschsüchtige Großmutter.
Das Spielfeld wird zum Trümmerhaufen
Spiel in seiner reinsten Form ist ein Handlungsmodus, bei dem das materiale (sachliche) Tun (das Würfeln, das Legen von Karten, das Imitieren von Rollen, das Manipulieren von Steinchen), wie ernst man es auch immer betreibt, nicht auf einen Effekt jenseits der Spielhandlung abzielt: Es reicht (von Standpunkt des Spielers), als nicht-instrumentelles Verhalten, über das Spiel nicht hinaus. Oder anders gesagt: Das Motiv des Spielers ist nicht, die „Realität“ jenseits des Spiels umzugestalten (wie in der Praxis, also der Arbeit in einem anthropologischen Sinn), unbeschadet des Umstands, dass dieses Spiel Wirkungen auch in der „externen“ Welt haben kann, die aber nicht beabsichtigt sind oder genauer: sich für den Spieler, im konkreten Moment wenigstens, als irrelevant, als unerheblich erweisen (so etwa, dass im kindlichen Spiel Verhaltensschemata eingeübt werden, die im späteren Leben dann abrufbar sind, wie dies im Übrigen schon im Tierreich der Fall ist).