Tomasz Konicz: Die ökologischen Grenzen des Kapitals. Wieso es keinen „grünen“ Kapitalismus geben kann

Schwerpunkt FIKTION

Daniela Holzer: Lerne, soviel du kannst! Helfen wird es trotzdem nicht. Lebenslanges Lernen als fiktive Erzählung
Franz Schandl: Fiktives. Sprunghafte Hypothesen zu Ökonomie und Ideologie des Kapitals
Franz Hörmann: Fiktion und Berechnung. Welche Berechtigung hat die Mathematik in unserer Gesellschaft?
Emmerich Nyikos: Reductio ad fictionem
Ilse Bindseil: Im Reich der Fiktion.
Über die wahre Heimat der Menschenrechte
Franz Schandl: Anästhesie des Daseins. Alphabetisches Puzzle zu einem eiligen Medium
Fiction live: mit Beiträgen von Martin Scheuringer,
Severin Heilmann, Lorenz Glatz, Maria Wölflingseder

Andere Artikel

Peter Pott: Die Leidenschaft hat die Vernunft,
die dem Verstand fehlt
Thorsten Endlein: Notizen zur Solidarischen Ökonomie

Kolumnen

Dead Men Working: Maria Wölflingseder
Immaterial World: Stefan Meretz
Rückkopplungen: Roger Behrens

2000 Zeichen abwärts

Markus Pühringer (M.P.)
Franz Schandl (F.S.)
Dominika Meindl (D.M.)

Artikel aus dem Heft

erschienen am 1. Juli 2011 EINlauf (Franz Schandl) Tomasz Konicz: Die ökologischen Grenzen des Kapitals. Wieso es keinen „grünen“ Kapitalismus geben kann Schwerpunkt FIKTION Daniela Holzer: Lerne, soviel du kannst! Helfen wird es trotzdem nicht Franz Schandl: Fiktives. Sprunghafte Hypothesen zu Ökonomie und Ideologie des Kapitals Emmerich Nyikos: Reductio ad fictionem Ilse Bindseil: Im Reich de...

Eine neue testcard ist erschienen. Die Nummer 20 – ein mögliches Jubiläum, kein wirkliches. Thema: „Access denied“. Eröffnet wird die testcard mit zwei kurzen Texten, die jeweils eine Seite füllen – es sind Nachrufe, einer von Johannes Ullmaier, einer von Jonas Engelmann. Martin Büsser ist tot. Er ist im letzten Jahr, am 23. September 2010, gestorben. Ullmaier: „Und was immer das Falsche, in dem es ein Richtiges nicht geben soll, dagegen auffährt: Dieses Nicht-Egal-Sein macht am Ende doch den Unterschied ums Ganze.“ Engelmann: „Das Weitermachen war unser Versprechen an Martin, ein Versprechen, bei dem wir nicht wussten, ob wir es würden einhalten können.“ Und: „Das Weitermachen der testcard hält Martins Kritik am Leben.“

Der Begriff der Solidarischen Ökonomie ist wie ein Magnet. Menschen mit den unterschiedlichsten Positionen und Zugängen kommen hier zusammen, um miteinander über Alternativen zu einem lange Zeit als alternativlos geltenden neoliberal geprägten Kapitalismus zu diskutieren.

Die Kulturflatrate ist ein Konzept für eine Art erweiterte AKM- (Österreich) bzw. GEMA-Abgabe (Deutschland) für digitale Inhalte. Die Erlöse sollen an Rechteinhaber digitaler Inhalte umverteilt und im Gegenzug die Verbreitung digitaler Kopien freigegeben werden. Die Verfolgung sogenannter Raubkopierer könnte damit aufhören.

Richtiges Leben im falschen?

Das gibt es nicht! Sagt sich Adorno – und begnügt sich mit dem falschen. „Das beste Verhalten: … das Privatleben führen, solange die Gesellschaftsordnung und die eigenen Bedürfnisse es nicht anders dulden, aber es nicht so belasten, als wäre es noch gesellschaftlich substantiell und individuell angemessen.“ (Minima, 40ff.) Adorno weiß, dass seine Lösung „eine Ideologie für die (ist), welche mit schlechtem Gewissen das Ihre behalten wollen“. Aber was soll man machen? „Kein Einzelner vermag etwas dagegen.“

Nur Ideologen und Idioten können glauben, dass es in Libyen um den Schutz der Zivilbevölkerung geht. Die war noch nie so bedroht wie jetzt. Und zwar alle, die Gaddafi-Treuen als auch die Oppositionellen als auch jene, die nur davonkommen wollen. Der Friedensmission geheißene Kampfeinsatz hat die potenziellen Gefährdungen multipliziert.

Glaubte man zu Beginn des Reaktorunfalls in Fukushima noch, die Welt ginge gleich unter, so ist es jetzt geradewegs so, als wäre fast gar nichts geschehen. Eine irre Bagatellisierung hat den jenseitigen Alarmismus abgelöst. So ein GAUcherl halten wir locker aus, das soll uns gar nicht erschüttern, da werden noch einige folgen. That’s life!

Weil die meisten ZeitgenossInnen von klein auf gelernt haben, in ökonomischen Kategorien zu denken, fällt es gar nicht mehr auf, dass am Ursprung der ökonomischen Wissenschaften Annahmen stehen. Aber die Tatsache, dass es kaum noch auffällt, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich um Fiktionen handelt.

In Wahrheit sei es doch so, sagt Franz, dass nichts real sei. Da könne man in der Fiktion doch ruhig ein bisschen schwindeln. „Wirklich?“, frage ich. Ja schon, denn im Virtuellen sei das Echte fiktional, sagt Franz. Der Weise wisse, dass ein authentisches Leben in Realität eine Vielzahl an Narrationen sei. „Herrjeh, du bist mir irgendwie keine Hilfe“, seufze ich und trinke aus.

Fiction live IV

Zugegeben, das Nachdenken über Fiktion hat mich verwirrt. Je länger ich darüber sinne, umso verwaschener der Kontrast zur Realität. Worin liegt der Unterschied? Wenn Realität das ist, woran geglaubt wird, dann kann Fiktion nur das sein, woran (noch) nicht geglaubt wird. Die Realität ist also potentiell fiktiv, die geglaubte Fiktion real. Erst Täuschung und Enttäuschung lassen das eine als das andere erscheinen.

Fiction live III

Er „war keineswegs unempfindlich für Schönheit; er empfand sie im Gegenteil so tief, dass der Gegensatz dieser Welt der Schönheit zu jener, in der er lebte, und zu der Arbeit, die er selbst zu leisten hatte, ihn schmerzlich traf, sooft er sich seiner bewusst wurde.“ (G. Ellert, Das blaue Pferd, S.33) Ich war ganze vierzehn Jahre alt, als ich das las. Es gibt in meinem Leben immer wieder einmal ein „Das kommt mir nicht aus dem Sinn“. Es mag jahrelang verschütt gehen, aber es kommt wieder. Weil es mich eben trifft.

Ja, wenn unsere Vorstellungen vom Leben wirklich wären und wir uns nicht permanent verstellen müssten! – Wählen können wir nur zwischen zwei Extremen: Entweder wir rotieren im Hamsterrad, genannt Job, und sind finanziell gut oder zumindest halbwegs abgesichert. Oder wir wagen uns mehr oder weniger zu verwirklichen und werden ständig von Existenznöten geplagt.

Fiction live I

Wirklich anwesend bin ich selten. Ich mag zwar physisch da sein, aber ich bin nicht in meiner Physis. Nicht einmal in meiner Noesis verwirkliche ich mich. Dem Eindruck, mir passiere mein Leben, kann ich mich nicht entziehen. Die Tage, Wochen und Monate gehen dahin ohne bewusste Erinnerung an sie. Es gibt weniges, das sinnvollerweise memoriert werden müsste. Das, was aber im Gedächtnis bleiben sollte, hat auf Grund des Lern-Drucks der Berufswelt keinen Platz mehr.

Alphabetisches Puzzle zu einem eiligen Medium*

Kann ich fernsehen? Welch Frage! – Nun, die Situation ist offensichtlich: das Gerät läuft und ich sitze davor und schaue. Aber ist es ein Können? Vermag dieses Ich etwas? Ist es aktiv? Oder bloß reaktiv? Gibt es in diesen Momenten ein Ich?

Erstaunlich, wie unterschiedlich sich Fiktionen in den verschiedenen Sphären unseres Daseins auswirken. Im Reich der Kunst und der Sinnlichkeit, auch in der ganz alltäglichen Lebenskunst und Lebenslust sind Fiktionen das Um und Auf. Was wäre das Leben, wenn wir uns nichts vorstellen könnten? Was wären wir ohne Träume, Phantasie und Poesie? In diesem Reich ist die Fiktion zu Hause, hier gehört sie her

Über die wahre Heimat der Menschenrechte

„Die Menschenrechte sind doch reine Fiktion“, ist ein ernüchterter Schluss, zu dem man immer wieder kommt, aber meist nicht, weil sie offenkundig verweigert wurden, in unsern hochbürokratisierten Gesellschaften vielmehr eher, weil sich das mit ihnen zu Gewährende verkrümelt hat.

„Kleider machen Leute“ – Kleider und alles, was noch zum Erscheinungsbild gehört. Wovon ist die Rede? Von einem heruntergekommenen Aristokraten, der so tut, als ob in Wirklichkeit gar nichts vorgefallen wäre. Er weiß den Schein zu wahren, er agiert wie ein wahrer Aristokrat, der er allerdings gar nicht mehr ist, da das Vermögen – das Schloss, der Grundbesitz, die Jagden, also die objektive Basis seines Aristokratentums – verspielt, verjubelt, verjuxt sind.

Sprunghafte Hypothesen zu Ökonomie und Ideologie des Kapitals

In unserer Disposition reagieren wir beinahe reflexartig auf die Erfahrungen des Alltags, wozu nicht nur klassisch Produktion, Zirkulation und Konsumtion gehören, sondern immer mehr und immer wichtiger auch die virtuellen Welten von Fernsehen oder Internet. Fiktionen zielen auf Reproduktion. Es geht darum, dass das, was ist, wieder ist.

Lebenslanges Lernen als fiktive Erzählung

Lerne lebenslang! In dieser Proklamation ist die Rede von Nützlichkeiten und Notwendigkeiten, von Programmen und Planungen, von Instrumentarien und deren Wirksamkeiten. Emotionslos und mit ernstem Unterton wird proklamiert, dass lebenslanges Lernen unumgänglich sei: zur beruflichen Weiterentwicklung, zur Senkung von Beschäftigungslosigkeit, zur Sicherstellung von Wohlstand und Fortschritt etc.

Wieso es keinen „grünen“ Kapitalismus geben kann.

Das ökonomische Fundament des Aufstiegs der „Grünen“ zu einer deutschen Volkspartei bildet die implizite Hoffnung auf ein neues Akkumulationsregime: auf den „Green New Deal“, ein umfassendes Programm zur ökologischen Transformation der kapitalistischen Gesellschaft, bei der „ökologische“ und „regenerative“ Industriezweige ihren Durchbruch erfahren und die Rolle von Leitsektoren der Wirtschaft einnehmen sollen.

Unsere realexistierende Welt wird beherrscht durch die Allgegenwart von Ware und Wert. Ihre Regeln schaffen Fakten, Realität mit der wir uns konfrontiert sehen. Realität wie wir sie tagtäglich vorfinden und fortgesetzt reproduzieren – neu erschaffen.

Wer diesen Zuständen ausgesetzt ist, kann nur verrückt werden. Aber schlimmer noch als dies zu konstatieren, ist es, dies überhaupt nicht zu begreifen. Der Kapitalismus gilt ja als eherner und letzter Hort der Rationalität. Die Aufklärung hat er so groß geschrieben, dass diese selbst gar nicht mehr Gegenstand derselben sein darf.

Auch wenn die Welt und die Menschen als real vorausgesetzt werden dürfen, hat man den Eindruck, dass allmächtige Fiktionen Denken, Fühlen und Handeln der Subjekte bestimmen. Dass falsches Bewusstsein und fehlgeleitete Emotion unseren Alltag beherrschen. Sind wir süchtig nach Schwachsinn? Und schwachsinnig vor Sucht?