Nyikos, Emmerich
Emmerich Nyikos, geb. 1958, Studium der Geschichte, lebt als freier Autor in Berlin und Mexiko-City. Zuletzt erschienen: Das Kapital als Prozeß. Zur geschichtlichen Tendenz des Kapitalsystems, Peter Lang (2010). Traforat der Streifzüge
Verfasste Beiträge
Chronologisch sortiert
Ein Schlaglicht auf den Wahn, auf dem das postmoderne Bewusstsein basiert
Man könnte den Eindruck gewinnen, als ob das postmoderne Bewusstsein in der Gegenwart, dem Punkt des Jetzt, vollständig aufgeht, ja darauf erpicht ist, darin aufzugehen – eine Sachlage, die darin sich äußert, dass man alles Denken und Handeln allein darauf bezieht: Es gibt die Gegenwart – und ansonsten nichts.
Vorläufige Bemerkungen zur Demontage des bürgerlichen Staates
Was ist der bürgerliche Staat oder was ist er bis vor kurzem gewesen? Ist man gewillt, ein Konzept Jean-Jacques Rousseaus aus seinem Contrat social in Betracht zu ziehen, so könnte man sagen: Der bürgerliche Staat ist die volonté générale der Bourgeoisie.
Bemerkungen zu einigen Verfallserscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft
Das System ist sinnentleert, da es keine Werte mehr produzieren kann. Es macht sich zu einer substanzlosen Hülle zu einem Zombie, der nicht weiß, dass er tot ist.
Ein Blickpunkt (von vielen)
Jedes historische System, und das ist trivial, durchläuft verschiedene Phasen, und dieser Phasenablauf ist nicht reversibel. Das System mag, was seine prinzipielle Funktionsweise angeht, zwar immer noch dasselbe System sein, die „Phänomene“ indes ändern sich – die Ausdrucksformen mithin, welche gleichsam den Kern des Gesellschaftssystems (die Eigentumsstruktur und die Klassenrelationen) „realisieren“, unterliegen einer beständigen Transformation.
Blicken wir für einen Augenblick, sofern uns nichts Besseres einfällt, in die Tiefe der Zeiten zurück, genauer: in die Ära des imperium romanum. Wir sehen hier vieles, insbesondere aber auch Phänomene, die insofern Beachtung verdienen, als sie die Vorgänger einer Transformation zu repräsentieren scheinen, die hier und heute sich anschickt, Gestalt anzunehmen …
Wie das System des Kapitals sich selbst zu einer leeren Hülle degradiert
In einer Gesellschaft, die auf der Grundlage des Privateigentums an den Produktionsmitteln nicht nur arbeitsteilig, sondern auch privat produziert, kann logischerweise die Verteilung der Produkte nur über den Austausch erfolgen – und dieser macht jene zu Waren.
Utopien sind Phantasiegebilde – daher heißen sie auch so, weil die Schauplätze ou-topoi = „Nicht-Orte“ sind –, deren eigentlicher Sinn darin besteht, eine fundamentale Kritik an der aktuellen Gesellschaft des Autors zu üben: indem man zeigt, wie es anders sein könnte.
Zur Verwilderung des Denkens im Kontext des ikonischen Komplexes
Das, was diese Medien zugänglich machen, wird nicht als vermittelt, sondern als real erlebt wahrgenommen, auch wenn man weiß, dass es sich um das Produkt eines Mediums handelt. Man erlebt es als Teil seines Alltags. Das, was man sieht oder hört, vermittelt den Eindruck, dabei gewesen zu sein. Das Verhältnis zur Welt jenseits des Alltags erscheint so als ein unmittelbares, obwohl es in Wirklichkeit medial herbeigeführt wird. Hier geht jede Distanz durchweg verloren, eine Distanz, die für das Denken, die Reflexion von Zusammenhängen gesellschaftlicher Dimension notwendig ist.
Der citoyen als Schmalspur-bourgeois
Nun wissen wir, dass die Warengesellschaft sans phrase in den burgi der feudalen Epoche ihren Ausgangspunkt nahm: Ursprünglich war dieses im Grunde extra-feudale Gebilde, im Raum eng begrenzt, der Rahmen für eine Körperschaft (einen „Schwurverband“) von Handwerkern und vor allem von Händlern – den aktiven Demiurgen des Austauschs.
Man darf sich also nicht wundern: Die Metamorphose des linken Segments ist nichts als der Ausdruck der Dissolution der Arbeiterklasse, des Subjekts, das als fähig erschien, „die Welt aus den Angeln zu heben“. Das Subjekt der Transformation ist verschwunden und damit auch die subjektive Basis, die agency, des Projekts einer anderen Welt.
Virologie einer Groteske
Gegenstimmen hat es gegeben, von allem Anfang an. Indessen wurden und werden sie nicht zur Kenntnis genommen, man diffamiert sie vielmehr auf die übelste Weise. Es herrschen Propaganda und Agitation, in einem Ausmaß, das bis dahin als unvorstellbar galt, und von einer Wirksamkeit, von der die Propagandisten des „Ostblocks“ nur hätten träumen können.
Wie ein Virus das Absurde sichtbar werden lässt
Marx sagt in einem seiner Briefe mit der üblichen Prägnanz: „Daß jede Nation verrecken würde, die, ich will nicht sagen für ein Jahr, sondern für ein paar Wochen die Arbeit einstellte, weiß jedes Kind.“ (MEW 32, S. 552) Das ist soweit durchaus richtig.
Die Logik der post-modernen Agorá
Die „neuen Medien“ – die social media, wie man sie irrtümlich nennt – können, wenn schon sonst nichts zu ihren Gunsten gesagt werden kann, so doch zumindest das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, die „Logik des Alltags“ sicht- und daher auch analysierbar gemacht zu haben, die „Logik“ also, die das „Denken“ derer beherrscht, die auf der Basis von Ignoranz – der Unwissenheit und dem Nicht-Wissen-Wollen – trotzdem vor sich hin räsonieren.
Bausteine einer Theorie der Geschichte
Die Gesellschaft, das Gesellschaftssystem, ist, als Resultat vorgängiger Handlungen, d.h. der gesamten Geschichte, deswegen auch kein direkter Ausfluss der aktuellen Praxis, nicht Emanation eines lokalen Geschehens, sondern, als Handlungskontext, in jedem Augenblick (gleichsam als eine „Umweltbedingung“ kultureller Natur) präsupponiert.
Es gibt keinen Grund für den Shut-down, den es, mit Ausnahme der Nichtverfügbarkeit eines Impfstoffs (und Impfungen können, wie gesagt, durchaus versagen), in den früheren Jahren nicht auch bereits gab. Warum also jetzt die Sondermaßnahmen? Warum die Doomsday-Hysterie?
Der Gebrauchswert in der bürgerlichen Gesellschaft
Während der Wert einer Ware eine Relation zwischen Mensch und Mensch reflektiert, ein gesellschaftliches Verhältnis, das Verhältnis mithin zwischen Privatproduzenten, die nichtsdestotrotz, obgleich unbewusst (und deswegen auch planlos), kollaborieren, der Tauschwert dagegen eine Relation zwischen den Sachen, den Waren, reflektiert der Gebrauchswert das Verhältnis zwischen Sache und Mensch, Mensch und Gegenstand oder Ding.
1. Es ist ein wohldurchdachtes Prinzip jeglicher Wissenschaft, die diesen Namen auch wirklich verdient, alles das an „Argumenten“ sauber wegzuschneiden, was nicht notwendig ist, um einen Sachverhalt zu erhellen – das Überflüssige mit dem Messer zu entfernen, das uns Wilhelm von Ockham als ideales Instrument diesbezüglich empfiehlt.
Selbst wenn in einem Boot, das einen reißenden Fluss überquert, die Besatzungsmitglieder beim Rudern sich völlig verausgaben sollten, selbst dann wird das Boot durch die Strömung vom gegenüberliegenden Ufer extrem abgetrieben, sofern jeder allein und für sich, „völlig frei“ sich verausgabt und nicht koordiniert mit den andern.
Was eigentlich ist ratio, ein Konzept, das seit geraumer Zeit von allen Seiten angeschwärzt wird – wobei sich die Post-Modernen besonders hervortun –, angeschwärzt, genauer gesagt, seit den Bemühungen des kritischen Duos – post-modern avant la lettre –, das sich „Adorno und Horkheimer“ nennt?
Die Notwendigkeit eines Tresors resultiert aus dem Besitz von Juwelen. Wer keine Juwelen besitzt, braucht auch keinen Tresor, um sie vor Diebstahl zu schützen. Die Notwendigkeit des Tresors bezieht sich hier nur auf den Schatz, sie ist ganz und gar relativ in Bezug auf diese Sache. Verkauft man seine Juwelen, dann fällt auch der Grund für den Safe weg, er ist nicht mehr nötig, allein, er löst sich dadurch nicht in Luft auf: Er steht noch herum, bis auch er, weil entbehrlich, verkauft wird.