Streifzüge 32/2004
2000 Zeichen abwärts
von Maria Wölflingseder
Neulich bei meinem Vortrag in Linz erzählte ich über das Positive Denken, über den strahlenden Optimismus, der Arbeitslosen empfohlen wird, wenn sie wieder einen Job bekommen wollen; und über die frappante Ähnlichkeit des eingemeißelten Grinsens bei Sektengurus, esoterisch Entrückten, Business-Adepten und anderen Verrückten.
Zu später Stunde auf der Heimfahrt im Zug blättere ich im Bahnreise-Magazin Club und Bonus. Auf einem kleinen Quadrat prangen weiße Zähne aus einem rotlippigen Frauenmund – von halb vorne, halb aus dem ProfilDarüber steht „ErfolgReicher durch ein strahlendes Lächeln“. Am unteren Rand der roten Unterlippe ist im Schwung der Lippe weiß aufgedruckt: www.smile-style.at. Ein paar Seiten weiter dasselbe Inserat. Noch ein paar Seiten weiter erblickt mein müdes Auge ein größeres Exemplar von diesem gestylten Smile. Das redaktionelle Umfeld berichtet vom „Smile-Design-Team“ des Dr. XY, der sich auf „ästhetische Zahnheilkunde und Zahn-Wellness“ spezialisiert hat. Seine „Wohlfühlpraxis“ liegt gleich neben der Therme YX und kann auch am Abend und am Wochenende besucht werden.
„Dass man keinen Grund zur Heiterkeit haben muss, ist der Witz an so einem Lachseminar“, lese ich zwei Tage später in einem der unzähligen Berichte, die zur Zeit für Lachseminare und Lach-Sachbücher werben. Da steht zwar: „Lachen ist ein im Menschen eingebautes Fitnesscenter. Und das Abo ist lächerlich billig“, aber gratis sind sie sicher nicht, all die Lach-Workshops, die wie Pilze aus dem Boden schießen, und auch der Fundus an einschlägiger Literatur muss berappt werden. „Ich bin fröhlich“, „Managing to have fun“, „Lachtherapie. Bevor die Gesundheit flöten geht“, „Lachen ist gesund. Anleitung zum Glücklichsein“, „Die heilende Kraft des Lachens. Mit therapeutischem Humor frühe Beschämungen heilen“. (Allen Ernstes, so lauten die Buchtitel! )
Ja, wenn’s nichts mehr zu lachen gibt, kann man umso mehr verkaufen: nicht nur das Buch „Lachen ohne Grund“.
M. W.