Zur Monologie eines Promotionapparats
von Andreas Exner
Attac Österreich geht seinen eigenen Weg. Der heißt zusehends Christian Felber. Als Geschäftsidee super. Und als emanzipatorischer Ansatz? Brigitte Kratzwald hat sich mit der Gemeinwohlökonomie nun aus ihrer Sicht kritisch auseinandergesetzt und bringt neue Facetten in die bei Attac marginalisierte und zum Teil aktiv obstruierte kritische Debatte ein – eine Empfehlung.
Das Konzept der Gemeinwohlökonomie, das Felber mit einer Reihe kapitalistischer Unternehmer*innen, solchen, die es noch werden wollen und jenen, die es nicht mehr werden können, entwickelt hat, trägt nicht zufällig autoritäre Züge. Unter dem Deckmantel von “neuen Werten” (die den bisherigen gleichen), soll die Marktwirtschaft nun ethisch werden. Dazu braucht es nicht nur ein gerütteltes Maß an Illusionen, sondern auch Einrichtungen, die einem derlei beibringt: Schule. Und solche, die das aufrecht erhält: Staat.
Ein Schlenker zur Schenkökonomie, ein Anbandeln mit Solidarischen Ökonomien, die, im Unterschied zur Gemeinwohlökonomie, auf Selbstverwaltung und einem Abbau von Marktbeziehungen beruhen – das alles kann nicht schaden, denkt man sich wohl insgeheim. So kann man ohne den Anflug kritischer Selbstreflexion behaupten, alles schon zu wissen und “integriert” zu haben. Ein Muster, dem eins begegnet, wenn man das Konzept der Gemeinwohlökonomie kritisch befragt. Vermutlich fehlt einem da die nötige Gefühlskunde.
Die Fans jedenfalls sind im Taumel. Sie fühlen sich der Erlösung nahe. Auch wenn’s nur eine Punktematrix ist. An den verzückten Reaktionen kann man jedenfalls eines ablesen: wie stark das Leiden an dieser Gesellschaft und im Resultat die projektive Energie ist, die sich nach Erlösung sehnt. Sie kann auch Punktematrizen zu begeisterndem Leben erwecken. So staubig kann das gar nicht sein. Das ist nun nicht mal polemisch gemeint, sondern ein Hinweis darauf, welches Ausmaß projektiver Energien da im Spiel ist.
Diese Fan-Führer-Dialektik mit ihrem Absolutheitsanspruch der Liebe der Fans zum Führer (besser: ihrer Verliebtheit), deren selige Dyaden-Harmonie nichts stören darf, sie wirkte nicht nur in den Kadergruppen der 1970er Jahre – von Schlimmerem ganz zu schweigen. Sie ist eine Grundstruktur der Warengesellschaft mit ihren spektakulären Inszenierungen von Leidenschaft, Befreiung und Verschmelzung. Als eine solche zieht sie sich vom Popsternchen bis zum profanen Hundefutter. Glück ist, wenn man zur richtigen Peer Group zählt und das Richtige billig kauft – am besten fair. Das macht auch nicht vor so genannten Alternativen Halt. Da kann einer den ersichtlich größten Unsinn schreiben. Image kills.
Die Sehnsucht nach Erlösung ist völlig legitim. Das Leiden an dieser Gesellschaft ist brutales Faktum. Der Weg gesellschaftlicher Emanzipation kann aber nur dort beginnen, wo Projektionen integriert und die eigene Kraft im Denken, Fühlen und Handeln wieder angeeignet wird. Alles andere verlängert, worunter gelitten wird.
Projektionen suchen sich freilich niemals willkürlich ihre Objekte, Subjekte zünden niemals willkürlich das Feuer der Projektion. Projektor und Projekt müssen in gewisser Hinsicht passen. So artikuliert die Gemeinwohlökonomie eine tiefgehende Unzufriedenheit an der Benachteiligung, der Verunsicherung, der Bedrohung durch diese Gesellschaft. Dabei artikuliert sie der Natur ihrer Konzeption nach vor allem die Unzufriedenheit der kleinen Unternehmer*innen – und jener, die ihnen vertrauen wollen.
Ein Muster, das schon in der Grundeinkommensdebatte am Zulauf eines Götz Werner sichtbar wurde, der, Manager genug, nicht nur die Techniken der Suggestion, sondern auch das symbolische Kapital eines gewöhnlichen Kapitalisten und Klopapierverkäufers sein eigen nennt. Das nennt sich Hegemonie: moralische Führung, die den Zwang der Verhältnisse, dass es Unternehmer und Unternommene überhaupt gibt, legitimiert. Die Soldaten bewundern den General, die Lohnabhängigen den Manager. Ihre berechtigte und vitale Aggression gegen die Herrschaft mutiert in das Streben, ihrerseits die Position des Generals, des Managers einnehmen zu können oder in der Unterwerfung von deren scheinbaren Macht und Stärke per Identifikation zu zehren.
Die Gemeinwohlökonomie artikuliert Unzufriedenheit und Verunsicherung. Aber nicht mit dem Ziel, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen Menschen geknechtet, verächtlich sind. Sie artikuliert jene in der Absicht, diese erträglicher zu machen, zu moralisieren, dem individuellen good will und der besseren Lebensführung anheim zu stellen. Sie propagiert, dass eine andere Schule die Leute schon so hinbiegen wird, dass sie sich auch wie gute Bürgerinnen und Bürger verhalten. Mores wird sie ihnen lehren. Sie imaginiert, dass der patriarchale Übervater Staat die Guten schon noch belohnen, die Bösen aber bestrafen wird. Sie suggeriert, dass, wenn sie nur wollen, die Unternehmen trotz aller Konkurrenz, die der Markt zwischen ihnen setzt, kooperieren könnten. Richtig ist, dass übergreifende Kooperation möglich ist, gäbe es den kollektiven Wille und eine entsprechende Transformationsbewegung. Falsch ist, dass es möglich ist zu kooperieren, wenn die Struktur der Beziehung eine konkurrente, ein Markt ist. Die Leute zwischen zwei Schützengräben können kooperieren, wenn sie ihre Waffen wegtun und aus dem Graben steigen. Ebenso ist das mit dem Markt.
Die Kernbotschaft der Gemeinwohlökonomie, das ist: Es ist im Grunde alles gut so, wie es ist. Wenn nur alle ein bisschen moralischer würden. Dabei hilft rechnen, rechnen, rechnen. Diese Trias bildet so etwas wie den Kern der kleinbürgerlichen Ideologie. Sie ist heute im globalen Norden in gewisser Weise hegemonial geworden. Sie prägt das herrschende Denken und damit auch die meisten vorgeblichen Alternativen. Man schilt die scheinbar Mächtigen, aber auf die Idee, sich mit denen auf den unteren Stufen der sozialen Hierarchie praktisch zu solidarisieren, kommt man nicht. Man genießt stattdessen den Gedanken, selbst mal Führer spielen zu dürfen, einen guten, wohlwollenden Führer. Felber fühlt sich wohl in der Rolle eines künftigen Gesetzgebers und Staatenlenkers. So spekuliert er in seinem Buch über staatliche Regelungen, die ihm vorschweben würden, wenn er könnte, wie er wollte. Gusenbauers und Vassilakous gibt es überall. Die Frage: “Was würden Sie tun, wenn Sie Merkel wären”, wird handlungsleitend für das, was sich eine Alternative nennen will. Diese Frage engt die Antwort schon darauf ein: Es wird alles bleiben wie es ist.
Entsprechend suchen die warenkonform Verzückten ihr Heil in einem “anderen Management”, einer “anderen Führung” und, logisch, “andere Führer”. Letzteres wird (noch) nicht ausgesprochen, nichts anderes aber ist der Versuch, das Management reformieren und bessere Manager heranzüchten zu wollen. Man muss nicht soweit zurückgehen wie in die 1930er Jahre, um zu sehen, dass gerade die projektiven Energien derjenigen, die sich als die Verunsicherten, Benachteiligten fühlen, und doch das System partout aufrecht erhalten wollen, das ihnen ihre soziale Rolle zuweist und ihre Verunsicherung bewirkt, nicht selten die Brutstätte kommender Scheußlichkeiten bildeten.
Es wird sich die verkaufsfördernde Ambivalenz, die in der Gemeinwohlökonomie liegt, noch entscheiden, ob sie also eher einen Weg der Solidarischen Ökonomien und der Gemeingüter, der Commons einschlägt oder sich zur anschwellenden ideologischen Begleitmusik der Krisenbearbeitung hinzugesellt, die in Social Entrepreneurship, alternativen Wohlstandsindikatoren und Regionalwährungen in einem Meer um sich greifenden Elends, moralischer Verzichtsappelle und autoritär-staatlicher Maßnahmen gipfelt. Um den Weg der Solidarischen Ökonomien einzuschlagen, müssten die Fans über den Schatten ihrer sozialen Rolle springen. Das ist schwierig, aber notwendig.
Am Mangel wirklicher Alternativen, wie viele in diesem Schatten meinen, liegt’s definitiv nicht.