von Severin Heilmann
Das Leben ist schon eine feine Sache. Das jedenfalls ist stiller Konsens, die Grundprämisse unser aller, die wir noch immer hier sind, die wir leben. Wie könnten wir da nach dem guten Leben fragen – so, als wäre ein schlechtes denkbar? Schließlich hat, wer aufrichtig von der Schlechtigkeit des Daseins überzeugt ist, keine Veranlassung, seine unzuträgliche Existenz über den Moment der gewonnenen Einsicht hinaus zu verlängern – wozu sich weiter herumschlagen?
Andererseits, so die Mutmaßung, könnte das gute Leben, da es nicht ist, sich noch einstellen. In diesem Fall gilt es die Vitalfunktionen aufrecht zu erhalten, um den Fortbestand des gegenwärtig schlechten Lebens bis zum letzten Atemzug zu gewährleisten – das Leben zu überleben, sozusagen. Schade, denn tomorrow never comes, belehrt uns eine englische Redensart und blamiert solchen Versuch, das gute Leben in die Zukunft hinein zu vertagen. Was aber vom Leben bleibt, ist eine Anstrengung, die einer besseren Sache würdig wäre (K. Kraus).
Überleben! ist unter jenem Gesichtspunkt die folgerichtige Devise – und das ist eine furchtbar ernste Angelegenheit, schließlich geht’s um was! Ja, um was denn eigentlich? Wofür leben? ist angesichts der gestrengen Frage Wie überleben? belanglos. Und so nimmt der seltsame Zweck, zu überleben, alles Leben rundum als sein bloßes Mittel in Beschlag. Der Zweck ist ein unmöglicher – alles zerfällt irgendwann – und die Anstrengung der lebenslangen Überlebensmaßnahme umso erbitterter, sodass man sich nach dem Sinn zu fragen beginnt.
„Die Kinder sollen’s einmal besser haben“, hört man seufzen. Die es einmal hätten besser haben sollen, wurden jedoch rechtzeitig von den ihren auf „den Ernst des Lebens“ eingeschworen, jenen Ernst, der dem Spielen angeblich folgen würde. Denn Spiel ist ihnen allenfalls die Vorbereitung auf das, was später an Mühsal und Härte entgegenschlägt. Und so überleben auch sie sich. Wenn schon keinen Sinn, so hat doch immerhin alles seinen Zweck – ausnahmslos! Selbst das Spiel!