Streifzüge 36/2006
2000 abwärts
von Maria Wölflingseder
Wert ist Trumpf! „Sichern Sie Ihren Marktwert – mit 990 Euro fünf Jahre trainieren in den Oasis Health+Fitness Clubs.“ Heute geht es aber nicht mehr vorrangig um den schnöden Marktwert. „Egomanie und Shareholder-Value haben als Maß aller Dinge ausgedient“, schreibt die Unternehmensberaterin Elisabeth Heller in ihrem neuen Katechismus „Clan Value“, auf dessen Umschlag ein großes rotes Siegel auf dunkelblauem Hintergrund prangtHeute seien in der Wirtschaft wieder die guten alten Werte gefragt. Konkurrenzdruck – ach wo denn? Eine „Wir-Gesellschaft“ sieht die Dame heraufdämmern. Der Untertitel ist Programm: „So machen Sie aus Ihrem Unternehmen eine Familie und aus ihrer Familie ein Unternehmen“. Networking bleibe zu sehr an der Oberfläche, jeder sei in seiner eigenen Wertewelt verhaftet. „Die Mitglieder eines Clans hingegen sprechen von gemeinsamen Werten. … Sie haben mehr Sinn in der Arbeit. Man rubbelt seine Arbeit nicht runter, sondern gestaltet sie sinnvoll, mit Freude, angstfrei… Der Zusammenhalt, das Aufeinander-Angewiesensein, das Gefühl, im Gefüge etwas geleistet zu haben, geben eine besondere Befriedigung.“ Der vom Clan geschaffene Mehrwert liegt u. a. in den elimierten Fehlzeiten, die sonst – jenseits des Urlaubs – jährlich drei bis vier Wochen pro Mitarbeiter ausmachen.
Die Kluft zwischen schriftlicher Propaganda und Arbeitsweltwirklichkeit ist eklatant, aber nur mündlich zu erfahren. Zum Beispiel in der Sauna im Amalienbad. Sämtliche Frauenpaare diesseits des Pensionsalters, je jünger desto angeregter, unterhalten sich über Job und Karriere: „Meine Freundin leidet an einer krassen Form des Burn-out-Syndroms. Sie weint nur, schläft seit einem Monat nicht mehr und reißt sich die Haare aus. Sie hat mehrere Jobs und muss zehn Mal im Monat für eine UNO-Organisation in andere europäische Städte fliegen. “
Meine kleine Nichte Tessa fragte: „Was ist eine Angestellte? Hat die etwas angestellt? “ Ja, was stellen wir heute nicht alles mit uns an?