Wie man sich täuschen kann und wiederum auch nicht
von Franz Schandl
Am 9. Dezember 2004 war an dieser Stelle zu lesen: »Daß Angela Merkel nie Kanzlerin in Deutschland wird, ist offensichtlich. Man braucht sie sich nur anzuschauen und weiß es. Und das ist absolut nicht sexistisch gemeint, sondern gibt bloß wieder, wie diese Gesellschaft tickt und wie sie politische Führungsexponate, insbesondere Frauen, betrachtet. Es ist die bittere Wahrheit der bürgerlichen Konkurrenz. In einer solchen hat Merkel keine Chance. Sie bestimmt sich weder als Erfolgsfrau noch als Mutti. Das sind aber die beiden Typen, die Frauen solche Spitzenpositionen ermöglichen. « Der Eindruck war auch deshalb entstanden, weil ich mir im großen Übereifer die letzte Parteitagsrede der CDU-Vorsitzenden per Internet reingezogen hatte. Und die war grottenschlecht, nicht nur der Text, sondern das ganze Ambiente und insbesondere die vortragende Person. Botschaft, Stimme, Pointen, Duktus. Alles verheerend. Die Frau konnte einem leid tun ob der Überforderung. Wer erlöst sie von ihren Qualen, fragte man sich.
Offensichtlich war diese Einschätzung nicht richtig. Aller Voraussicht nach wird Merkel mit beträchtlichem Vorsprung die nächste Bundestagswahl für die CDU/CSU gewinnen. Die Kanzlerschaft wird ihr nicht zu nehmen sein. Da kann nichts mehr schiefgehen, höchstens ein Meteor stürzt auf Deutschland. Offensichtlich war das Urteil aber auch nicht falsch, wenn man sich die Veränderungen im Erscheinungsbild der Kandidatin vergegenwärtigt. »Ein guter Schritt«, befindet etwa Stefan Wagner vom führenden Medientrainingsinstitut »intoMedia« in Wien, »denn ihr Zustand war bereits bedenklich, teilweise hat sie sogar verwahrlost gewirkt. « Zweifellos, so hatte man Angela Merkel in Erinnerung.
Doch der mögliche Erfolg beflügelt. Die Aussicht hat das Aussehen verändert. Ein paar Kunstgriffe, und schon strahlt, was vorher absolut unattraktiv gewirkt hat. »Kohls Mädchen hatte alles ossihaft Trutschige, alles verhärmt Grämliche verloren; sie war vom häßlichen Entlein zum Schwan geworden«, schreibt Michael Geffken im Tagesspiegel vom 2. Juni. Die Zurichtung ist eine Frage der Herrichtung, insbesondere für Frauen in der Politik gilt: aufgeputzt oder abgeputzt. Theoretisch verallgemeinert demonstriert dieser Fall: Die Enttrutschisierung verdeutlicht die Potenz kulturindustrieller Substitute.
Ob sie es ist oder nicht, ist egal, wichtig ist: Der Marke Merkel wurde ein neues Image verpaßt. Das fällt zwar jedem auf, aber gerade deswegen kommt es auch an. Es ist genau die Botschaft, derer die abgestimmten Abstimmenden bedürfen. Die aus dem Osten kam, ist im Westen angenommen. Man sieht es ihr an. Zwar wird sie nicht ganz an Julia Timoschenko, diese ukrainische Evita, heranreichen, aber für Germany reicht die Angela noch immer. Auch Deutschland hat die Politiker, die es verdient. Natürlich spricht es nicht für die Intelligenz der Deutschen, darauf reinzufallen, aber es ist leider so. Gestern ist man auf Schröder reingefallen und übermorgen wird man wieder auf die runderneuerten Sozialdemokraten reinfallen. Es ist der permanente Reinfall, den Wahlen und Wahlkämpfe dem Wahlvolk da bieten. Und es ist erstaunlich, wie beharrlich die Blödheit ihren Rang behauptet.
»Gravierend sparen« will die Merkel, und die Türkei soll nicht in die EU. Sachzwang und Ressentiment werden auch künftig die deutsche Politik leiten. Was auch sonst? Über eine Kanzlerin namens Merkel hat Kathrin Schmidt im Freitag vom 3. Juni 2005 bereits alles gesagt: »Was sie als Kanzlerin tun kann, ist: nichts. Wer Augen hat zu sehen, sieht das. « Ansonsten empfehle ich noch www. hairweb. de/ frisuren-angela-merkel. htm.