Bilanz der Ski-WM
von Franz Schandl
Natürlich war die am vergangenen Sonntag zu Ende gegangene Alpine Ski-Weltmeisterschaft in Bormio eine österreichische. Wie geplant gingen die meisten Medaillen an die Alpenrepublik, genau gesagt ein Drittel, 11 von 33. Indes hätte es noch besser laufen können, hätten die ÖSV-Damen gespurt (da gab es eine magere Ausbeute von zwei Bronzenen) und hätte dieser verdammte Bode Miller (USA) nicht zweimal der rot-weiß-roten Equipe Gold weggeschnappt. Aber sonst war die WM einmal mehr das ultimativ notwendige Erfolgserlebnis für die Fangemeinde der Nation, die eine Skination ist. Schi heil!
Die große Genugtuung bestand darin, dass der nach seinem schweren Motorradunfall vor einigen Jahren noch immer rekonvaleszente, aber unverwüstliche Altrecke, Hermann Maier, überraschend den Riesentorlauf gewann und so die fernsehende Nation, die mit ihm schon an ihm verzweifelte, sich samt ihm an ihm wieder aufrichtete. „Im Sportler kann man sich selber lieben, falls er gewinnt“, schreibt Elfriede Jelinek. „Hermann hat es allen gezeigt“, schlagzeilte die Krone, ja sogar von einem „Heldenepos“ war die Rede. Aber auch die ausländische Presse stand da nicht zurück: „Der Unzerstörbare“ nannte ihn die FAZ. „Die Welt kniet vor Maier“ schrieb die italienische Gazetta dello Sport. Die Herrschaftsverhältnisse waren wiederhergestellt.
Nach dem Doppelsieg im Herren-Slalom am Samstag war überhaupt Zufriedenheit eingekehrt. Mit dem Tiroler Benni Raich (5 Medaillen, davon 2 in Gold) stellte man noch dazu den erfolgreichsten Athleten der WM. Zwar wäre dieser Part wohl dem US-Star Bode Miller zugefallen, doch der hasardierte zu sehr. Seine Hopp- oder Tropp-Läufe, entweder ausfallen oder gewinnen, endeten dreimal im Out. Aber sonst gibt der sich gut gelaunt, trinkt nicht nur nach den Erfolgen ausgelassen Bier, äußert sich abfällig über George Bush und will sich die beiden Medaillen aufs Klo hängen, was doch auf ein eher pragmatisches Verhältnis zum Staat schließen lässt. Als Österreicher müsste er nicht bloß früher ins Bett, er dürfte solches Verhalten erst gar nicht an den Tag legen. Im Kader des ÖSV herrscht Zucht, Uniform und Flagge.
Vom Typ her wirkt Miller sympathischer und lockerer, in seiner Fahrweise ästhetischer und unkonventioneller als diese industriell hergestellten Seriensieger , die sich als österreichische Naturburschen verkaufen müssen. Insbesondere gilt das auch im Vergleich mit dem (frei nach dem Terminator so bezeichneten) Herminator. Es ist daher auch hartnäckiger Unsinn, gerade in ihm eine Art auf die Piste transformierten „working class heroe“ zu sehen. Nicht zuletzt bei dieser WM desavouierte Maier selbst solche Andichtungen. Befragt zum Streik der RAI (bekanntlich musste ein Rennen um einen Tag verschoben werden), sagte der gelernte Maurer, er sei prinzipiell gegen jeden Streik, denn „ich bin Arbeiter“. Maier ist kein Rebell, ja nicht einmal ein Gewerkschaftsfunktionär.
Was Europa betrifft, gibt es jedenfalls für die österreichischen Schifahrer nur noch Jausengegner, daher müssen sie sich eben an der amerikanischen Konkurrenz zum weißen Titanen aufbauen: „USA unser Hauptgegner“, folgert die Krone. Gänzlich untergegangen ist diesmal die ehemalige Skination Nummer 1, die Schweiz. Leer ausgegangen wären auch die Deutschen, doch siehe da, die schossen noch ein Golden Goal in der 93. Minute. Den erstmals auf dem Programm stehenden Teambewerb, der von niemandem mehr so richtig ernst genommen wurde außer von den zu kurz gekommenen Deutschen, den gewannen diese prompt.
Ein großer Profiteur soll abschließend nicht unerwähnt bleiben. Der kommt ebenfalls, wenn auch staatenübergreifend, aus Österreich. Gemeint ist der Salzburger Skifabrikant Atomic. Atomic ist jener Rennstall, der mit Abstand die meisten WM-Medaillen einheimste. 15 an der Zahl. Fast alle Großen stehen bei ihm unter Vertrag. Alois Rohrmoser, der Firmengründer, sollte diesen Triumph nur mehr halb erleben. Er ist mittendrin, am 4. Februar, verstorben.