Zur Institutionalisierung umgekehrter Entwicklungshilfe
von Franz Schandl
1933 schrieb der Faschist Oswald Spengler: „Es kommt nicht auf die reine, sondern auf die starke Rasse an, die ein Volk in sich hat.“ Nicht um „richtiges Blut“ gehe es, sondern um „tüchtiges“, so haben „gesunde, zukunftsreiche Geschlechter von jeher gern einen Fremden sich eingegliedert, wenn er von , Rasse‘ war, gleichviel zu welcher Rasse er gehörte. “
Der aufgeklärte Liberalismus sieht das, von der Terminologie abgesehen, nicht viel anders. Rainer Münz etwa. Der ist unzufrieden. Da hat er sich doch abgeschuftet in der „Süssmuth-Kommission“, wollte Deutschland das modernste Einwanderungsrecht auf der Welt bescheren, und dann spurt die Politik nicht so, wie es sich der Bevölkerungsexperte vorstellt. Geht es doch um die Rettung deutscher Renten. Verstehen das die Leute nicht? Ohne Ausländer geht nix, sagt Münz. „Es wird auch in Zukunft keine Auswahl attraktiver Migranten nach dem Punktesystem geben“, beklagt er sich. Münz, der für eine „selektive Zuwanderung nach Kategorien“ eintritt, formuliert hier nichts anderes als den liberalen Konsens: Ausländer sind gut, wenn sie sich rechnen. Ausländer sind schlecht, wenn sie sich nicht rechnen. Am besten rechnen sich zum Beispiel folgende: „Für Top-Wissenschafter und Topmanager wird ein unbefristetes Niederlassungsrecht geschaffen.“ Tja, top muss man halt sein.
Wirtschaftliche Interesse von Staaten gehen vor den menschlichen Bedürfnissen. Migranten sollen zwar „unsere“ ökonomischen Probleme lösen, ihre Anliegen interessieren „uns“ jedoch kaum. Dass welche kommen müssen, darüber herrscht Einigkeit. Selektiert werden muss. Der Streit um die Quote war seit jeher einer um das Reglement der Auslese. Es gilt die Kriterien zu bestimmen: Kopfzahl, Ausbildung, Alter, Fristen, Orte. Was in der ganzen Debatte allerdings verschwiegen wird, ist, dass es sich um einen Ressourcentransfer von den weniger entwickelten Ländern in die Zentren handelt. Es ist umgekehrte Entwicklungshilfe, die hier stattfindet. Vergessen wird immer, dass dieser Transfer einen Aderlass für jene Gesellschaften darstellt. Bringt man diesen Aspekt zur Sprache, wird man schnell verdächtigt zu meinen, dass jede(r) bleiben soll, wo er oder sie ist. Um das geht es nicht. Es geht darum, dass – eigentlich ganz banal – alle auf diesem Planeten gut versorgt sind, weder aus politischen noch ökonomischen Gründen irgendwohin getrieben werden. Dass sie bleiben können, wo sie sind und dass sie sich niederlassen können, wo sie wollen. Der Liberalismus hingegen ist nicht freizügig, er koppelt das Recht des freien Raums an die Verwertbarkeit der Person.
Apropos Verwertbarkeit. Arbeit ist im Kapitalismus kein disponierbarer oder gar unbeschränkter Faktor, sondern meint eine jeweils verwertbare Masse. Und die ist nun mal durch die Produktivkraftentwicklung im tendenziellen Fall begriffen. Die Erwerbsquote, die Münz da an bezahlter Arbeit auch in Zukunft glaubt sehen zu können, ist Geisterseherei. Indes, nur jene würfe die nötigen Steuern ab um die Renten (aber auch den Sozialstaat) zu finanzieren. Die Altersversorgung ist kein demographisches und kein beschäftigungspolitisches Problem, sondern eines der gesellschaftlichen Strukturen. Das Problem ist nicht, dass „eine immer geringere Zahl von Jüngeren für immer mehr Alte aufkommen“ muss, sondern dass dies über Verwertung und Besteuerung passiert, d. h. über Markt und Geld. Was materiell durchaus ginge, ist nicht finanzierbar, auch wenn die Klassenkämpfer unentwegt behaupten, Geld sei genug da, und damit nur zeigen, dass sie Güter und Werte nicht auseinanderhalten können. Genug ist zweifellos für alle da, aber nicht genug Geld.