Schwer in Ordnung

Nachschuss 27

von Franz Schandl

„Nicht schon wieder! „, hätte dieser Kommentar wohl geheißen, wäre Deutschland Europameister geworden. Zweifellos, diese Niederlage geht schwer in Ordnung. Mit etwas Pech hätten die Deutschen ja schon in der Vorrunde ausscheiden können, so aber schwindelten sie sich ins Finale, obgleich sie gegen Kroatien, Österreich und die Türkei mäßige Leistungen geboten hatten. Fortuna ist nicht immer die Genossin der Besseren. Mit etwas Glück hätten auch die Schweizer und Österreicher weiterkommen können. Mit etwas Pech wären die Spanier nach der Schlafwagenpartie gegen Italien ausgeschieden. Man stelle sich nur vor: Deutschland gegen Italien im Finale.

„Die Deutschen brauchen nicht gut zu spielen, aber am Ende gewinnen sie eben immer“, sagt Toni Polster, der einige Jahre österreichischer Legionär beim 1. FC Köln gewesen ist. Tatsächlich haben wir es bei der deutschen Elf mit einer Mannschaft zu tun, die aus einer Chance drei Tore macht. Dieser Killerinstinkt hat freilich wenig Freunde. Er bereitet auch wenig Freude beim Zusehen. Einmal mehr toben die sekundären Tugenden, die Kader sind arbeitsam, fleißig, tüchtig und vor allem diszipliniert.

„Das Problem ist die Fähigkeit der Deutschen, andere auf ihr Niveau zu zwingen“, schreibt Johann Skocek, einer der analytischsten Köpfe unter Österreichs Fußballkommentatoren. Das jedenfalls gelingt oft. Die deutsche Truppe besteht tatsächlich aus Handwerkern, die ihr Geschäft verstehen, aber nur selten ein Kunstwerk zustandebringen. Immer wieder betonen sie, ein ordentliches Spiel gemacht zu haben. Leider! Hätten Klose und Hitzelsperger in den ersten 10 Minuten ins gegnerische Tor getroffen, hätten die Spanier wahrscheinlich das Nachsehen gehabt und den Weg der Portugiesen genommen. Spanien hätte kläglich scheitern können. Diesmal jedoch blieb es beim Konjunktiv. Vergessen wir aber nicht: Der spanische Triumph ist, was das Ergebnis betrifft, doch nur ein knappes 1: 0 gewesen.

„Spanien schenkt Europa in Wien eine Symphonie. Unser Rivale Deutschland verkörpert vor allem das Resultat“, urteilte die spanische Sportzeitung Marca vor dem Endspiel. Die Deutschen sind in ihrer Zielstrebigkeit und Tüchtigkeit geradezu fixiert vom toten Ergebnis und nicht vom lebendigen Spiel, das ist mit ein Grund, warum das deutsche Spiel so unattraktiv ist. Artisten sind das keine. Erscheinen andere mitunter als heißblütig, erscheinen die Deutschen als kaltblütig. Sind andere unberechenbar, so die Deutschen stets berechnend. Gemeingefährlich vor allem in Standardsituationen. Mehr Standard als Niveau, so ließe sich dieses Spielweise treffend zusammenfassen.

Resümierend ist zu sagen, dass die Spitze im europäischen Fußball sehr breit geworden ist, dass es da nicht mehr bloß einen oder wenige Favoriten gibt, sondern viele sich berechtigte Chancen auf den Titel ausrechnen konnten. Es hat auch einige sehr anspruchsvolle Spiele gegeben, aber es ist keines in Erinnerung geblieben, wo tatsächlich beide Mannschaften über neunzig Minuten zur Höchstform aufgelaufen sind. Man darf also gespannt sein, wohin sich das Spiel mit dem runden Leder entwickelt.

Und sonst? Sieger sind natürlich einmal mehr und immer wieder die Österreicher. Organisatorisch klappte es, und nicht nur einigermaßen. Für „uns“ hat sich die EM auf jeden Fall ausgezahlt. Vier Millionen Menschen in den Fanzonen, 560 Festnahmen, aber doch keine gröberen Vorkommnisse, zu guter Letzt 850.000 verkaufte Krügerl Bier. Nun sind sogar die meisten Wirte zufrieden. Das ist doch eine Bilanz, die sich feiern lassen kann.

aus: Freitag, 4.7.08

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