von Franz Schandl
Nestroy hätte seinen Spaß gehabt. Nicht nur, weil die germanischen Fußballrecken Namen tragen, die er besser nicht hätte erfinden können – Schweinsteiger heißt da einer, Lahm ein anderer und Ballack (in neuer Rechtschreibung mit drei „l“) der dritte. Auch das Promigulasch auf der Tribüne hätte ihm hämische Freude gemacht. Die Ehrenränge sind voll mit VIP-Wichteln aus Politik, Wirtschaft und zunehmend auch Kultur. Es fehlt nicht mehr viel und die ersten Minister streichen sich die Kriegsbemalung ins Gesicht. Nicht anwesend zu sein, geht nicht. Eventkultur fordert die Präsenz gesellschaftlicher Größen. Fußball ist unumgänglich. Nur Merkel und Steinmeier waren noch nicht da, aber die kommen ja im Juni, wenn die Euro steigt. Und da geht es ja wirklich um was.
Dass Fußballspiele zwischen Deutschland und Österreich des Öfteren einer schrägen Dramaturgie folgen, ist bekannt. Doch so absurd wie dieses da letzte Woche in Wien ist wohl noch keines gewesen. Brillierten die Österreicher, triumphierten die Deutschen. Spielverlauf und Ergebnis hatten nichts miteinander zu tun. Als hätte sich der Ball im Tor geirrt. Das 3: 0 schmeichelte nicht bloß, es stellte alles auf den Kopf. Wahrscheinlich wunderten sich die jungen Österreicher so sehr, als sie einmal nicht nur auf der Mittellinie herumgurkten, sondern plötzlich vor dem gegnerischen Tor standen, dass nicht Entschlossenheit, sondern Schrecken sie überfiel, alle noch die Warnung des Teamchefs Josef Hickersberger im Ohr, der vor dem Match ja ausdrücklich meinte: „Ein Sieg wäre ganz schlecht“. Also verschossen die, die mehr als fünfzig Minuten alles in der Hand hatten, alles.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der Österreich nur selten besucht,, seitdem seine protestantischen Vorfahren im Zuge der Gegenreformation aus dem Steirischen vertrieben wurden, resümierte das Spiel so: „Das nackte Resultat ist der Leichnam, der die Tendenz hinter sich gelassen hat.“ Dass die Tendenz in eine andere Richtung lief als das Resultat, löscht allerdings nicht dieses aus, sondern lässt jene untergehen. Etwas profaner brachte das ein Haudegen des deutschen Fußballs, der Veteran Uwe Seeler, auf den Punkt. Was den Österreichern abgehe, sei offensichtlich: „Einfach schnörkellos die Tore machen“.
Gerade das kann man den Deutschen wiederum nicht vorwerfen, schnörkelloser geht es gar nicht mehr. Belohnt wurde hier schlechtes und fades Spiel. Nicht, dass die Deutschen aufgrund solcher Leistungen verlieren, wäre ein Problem, das Problem ist vielmehr, dass sie aufgrund solchen Unspiels gewinnen. Tore fallen da beiläufig und zufällig. Wer aus praktisch null Chancen drei Goals macht, wie soll der noch zu schlagen sein? War das jetzt nur ein Ausrutscher oder war das tatsächlich schon der Vorgeschmack? Wenn die Deutschen so zur Euro spielen, ist Schlimmstes zu befürchten: unattraktive Matches mit verkehrten Ergebnissen. Natürlich sind die Deutschen nicht die einzigen, die Gefahr laufen, deutsch zu spielen, aber wie der Name sagt, sind sie immens gefährdet.
Und die Ösis? Die nehmen die Niederlage fast euphorisch zur Kenntnis. Zwar weiß auch der Teamchef: „Schießen wir keine Tore, gewinnen wir nie“, doch mit einem typisch austriakischen Komparativ bringt er alles ins Lot: „Ich war schon niedergeschlagener.“ Und Johann Skocek, der wohl gewitzteste österreichische Sportkolumnist, schreibt in der Tageszeitung „Der Standard“: „Wir haben verloren und sind stolz auf unsere Leistung. Uns ist gelungen, was nichts zählt, und dafür loben wir uns. Der angstmachende Sieg ist uns erspart geblieben, das erleichtert. Wir können Fußball spielen. Uff. Der Sieg? Wird kommen, wenn wir fröhlich weiterwursteln. Das Wichtigste ist doch das Glück, alles andere ist nur primär“.
Freitag, 15.2.2008