Im heurigen Superwahljahr gerät einiges in Bewegung. Eine Vorschau
von Franz Schandl
Der Kalender könnte dichter nicht sein. Im März finden Gemeinderatswahlen in vier Bundesländern (Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg, Steiermark) statt, im April wird der Bundespräsident gewählt und im Mai der Landtag im Burgenland. Im Herbst stehen dann die Landtagswahlen in der Steiermark und in Wien auf dem Programm. Es wird sich also einiges tun und bewegen.
Die Umfragen verheißen den beiden Koalitionsparteien nichts Gutes. Die Daten für die ÖVP sind schlecht und für die SPÖ sind sie noch schlechter. Anscheinend rangiert sie zur Zeit sogar knapp hinter der Volkspartei. Gemeinsam hat man sich daher darauf verständigt, die im Herbst anstehende Budgetdebatte aus taktischen Gründen hinauszuzögern. Das lässt wohl ahnen, dass die angestrebten Sparziele, wie sollte es anders sein, einige soziale Grausamkeiten aufweisen werden. Wenn laut Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) „jeder in Österreich seinen Beitrag zur Budgetsanierung leisten werden müsse“ und von „Effizienzprüfungen im Sozialsystem“ spricht, dann sind das gefährliche Drohungen. Bisher sind die Österreicher, verglichen mit anderen Staaten, insbesondere auch der Bundesrepublik, beim Sozialabbau noch relativ glimpflich davon gekommen. Das könnte sich ändern.
Vor allem für die wenig vom Erfolg verwöhnten Sozialdemokraten sind die beiden Urnengänge im Herbst von geradezu entscheidender Bedeutung. Verliert die SPÖ etwa den Landeshauptmann in der Steiermark, den sie 2005 das erste Mal in ihrer Geschichte eroberte, dann wäre das eine herber Rückschlag. Die Wiener Sozialdemokraten wiederum werden schon zufrieden sein, wenn die Verluste sich im Rahmen halten. Die absolute Mandatsmehrheit dürfte aber dahin sein, sodass es zu einer rot-grünen oder rot-schwarzen Koalition kommen wird.
Michael Häupl, der in der Bundeshauptstadt seit 1994 amtierende Bürgermeister, hat auch bereits mit dem Vorwahlkampf begonnen. So ließ er im Februar eine Volksbefragung zu fünf Sachfragen durchführen, nicht nur um gewisse Streitpunkte aus der Auseinandersetzung zu nehmen. Die Mobilisierung mag zwar nicht unbedingt berauschend gewesen sein, ihren Zweck sollte sie trotzdem erfüllt haben. Dem frontalen Duell mit Heinz Christian Strache, der sich ja selbst als Bürgermeisterkandidat ins Spiel gebracht hat, ist Häupl nicht abgeneigt. Die FPÖ agiere wie die NSDAP, ließ er vor einigen Tagen auf einer Klubklausur der Wiener SPÖ verlauten. Zweifelsfrei wird die FPÖ einmal mehr auf die rassistische Karte setzen, indem sie Sicherheits- und Fremdenpolitik unter dem berüchtigten Stichwort „Ausländerkriminalität“ zusammenzieht. Der hauptstädtische Wahlkampf dürfte recht unappetitlich werden.
Es lässt sich jedenfalls voraussagen, dass die Freiheitlichen dazugewinnen werden. Fragt sich bloß: wie viel? Hält sich der Zuwachs in Grenzen oder ist mancherorts gar ein Erdrutsch möglich? Das hängt weniger von den Kandidaten in den Kommunen und Regionen ab als von der Stimmung im Land. Und die weist Richtung FPÖ oder besser gesagt: diese bedient die zeitgeistigen Konditionierungen am besten. Die herkömmlichen Politiker wirken dagegen wie Langeweiler an den Futtertrögen. In nicht wenigen Gemeinden, aber sogar in der Steiermark könnten die Freiheitlichen als Koalitionspartner und Königsmacher auftreten, oftmals mit Ergebnissen jenseits von 20 Prozent.
Da schadet es auch nicht, dass viele Mandatsträger der Freiheitlichen die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen haben, sondern als Dumpfbacken erscheinen, die oft keinen geraden Satz herausbringen, man werfe nur einen Blick auf den youtube-Lachschlager des niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Schwab. Zweifellos, das Ressentiment beherrscht sie mehr als dass sie es beherrschen. Doch das tut der Sache keinen Abbruch. An der Spitze der Partei glänzt ein schriller Zahntechniker, der sich HC Strache nennt. Der ist zwar auch um einiges weniger intelligent als Jörg Haider, dafür aber weniger kompliziert gestrickt als sein Vorgänger, was kein Nachteil ist. Was er ebenso versteht, ist, den Stimmungen Luft zu geben, ihnen Ausdruck zu verleihen, Fans in Mob zu verwandeln. Strache mag wenig zu sagen haben, aber was zählt, ist der gemeine Spruch, die Grobheit in Wort und Absicht. Davon versteht er eine Menge.
Unlängst hat der Boulevard ein neues Thema entdeckt: Straches Liebschaften. Vor einigen Monaten hatte da Tatjana Batinic, eine Ex-Miss Austria mit kroatischen Wurzeln, ihren Auftritt. Haben sie oder haben sie nicht? Hat er ihr oder sie ihm den Laufpass gegeben? Das ist spannend. Man sage nicht, derlei erscheine nicht auf der Titelseite. Derzeit diskutiert man am Boulevard, ob seine aktuelle Flamme namens Sissi zur First Lady tauge. Man hat den Eindruck, dass solche Geschichten mehr Aufmerksamkeiten erzielen als Dinge, die die Leute wirklich betreffen. HC Strache, das ist ein toller Hecht. Auffrisiert wie ein Gangster in einem Hollywoodschinken ist er den kulturindustriellen Vorbildern als Abziehbild am nächsten.
Frisch, frech, freiheitlich, so pomadisiert sich der Rächer der Enterbten als Comic-Held, der die Welt von allen Übeln befreit. Tatsächlich ließ Strache vor Monaten einen Comic an die heimischen Youngsters versenden, wo er als Superman den blauen Planeten vor Außerirdischen rettet. Niemand sage, das kommt nicht an, im Gegenteil, es wurde wahrgenommen, war wochenlang Thema. Wenn politisches Bewusstsein für nicht wenige sich auf plastische Hülsen reduziert, dann sind die bunten Bilder und die dazugehörigen Sprechblasen ein adäquates Instrument der Reklame. Wer sich bloß darüber lustig macht, schätzt das Rezeptionsniveau der Angesprochenen leider falsch ein. Da mögen auch diverse Facebooks wider Strache nicht darüber hinwegtäuschen.
Und wie reagieren die Strache-Gegner? Wie immer. Man grenzt sich ab, verfolgt aber eine ähnliche Politik. In der Praxis ist die Große Koalition nicht weit entfernt von den freiheitlichen Vorschlägen, denken wir etwa an die Asylpolitik genannte Abschiebepolitik. Hier betreibt die ÖVP-Innenministerin, Maria Fekter, einen äußerst restriktiven Kurs, der mit Strache jederzeit kompatibel ist. Freiheitliche Ausländerpolitik kommt so schon zur Anwendung, ohne dass die FPÖ in der Regierung sitzt. Die SPÖ sagt zwar einige Male „Nein“, doch meistens fällt sie um, schaut weg oder gibt sich zweifelhaften Kompromissen hin.
In der medialen Öffentlichkeit ist das Verhältnis zu den freiheitlichen Wählern gespalten: Entweder läuft man ihnen nach oder man verurteilt sie als Rassisten und Ewiggestrige. Den Freiheitlichen freilich vorzuwerfen, dass sie sind wie sie sind, wird sie nicht anders machen. Im Gegenteil, die obligate Attacke kettet die Leute noch stärker an Strache. Tatsächlich gibt es keine Auseinandersetzung über die Konstitution dieses reaktionären Bewusstseins. So wird dieser schräge Rechtspopulismus als Störung und nicht als adäquater Ausdruck der modernen bürgerlichen Gesellschaft angesehen. Empörung ersetzt den notwendigen Diskurs.
Bei allen Wahlgängen wird sich übrigens zeigen, dass die von Jörg Haider hinterlassene Orangenpartei, das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), inzwischen zu einer Nullnummer geworden ist. Die FPÖ wird es schlucken, deren Wähler sowieso, aber auch viele Funktionäre. Selbst in Kärnten wird sich früher oder später alles wieder unter einem Dach sammeln. Heinz Christian Strache und Uwe Scheuch, der ehemalige Landesvorsitzende des Kärntner BZÖ, haben im Dezember den ersten Schritt gesetzt.
Und sonst? Die österreichischen Grünen agieren fleißig, aber unspektakulär. Sie wirken saturiert und ziemlich in die Jahre gekommen. Dass die Ökopartei in Wien auf den Ex-Bundesparteichef Alexander van der Bellen setzt, ist als Zeichen von Verbiederung und Perspektivlosigkeit zu deuten. Hungrig scheinen sie nur noch auf das Regieren zu sein. Links von SPÖ und Grünen ist hierzulande einmal mehr nichts in Sicht, was Aussicht auf einen bescheidenen Wahlerfolg hätte. Es ist sogar zu fürchten, dass die KPÖ-Steiermark im September wieder aus dem Landtag fliegt, wenngleich die Kommunisten heute in mehr steirischen Gemeinden präsent sind als vor fünf Jahren.