Bedingte Vielfalt

Soll der Staat die Presse fördern?

von Franz Schandl

Die Freiheit der Meinung ist eine Variable der monetären Potenz. Pro forma gilt sie. Indes muss man sie sich leisten können. Jene Freiheit zu haben, heißt noch lange nicht, sie adäquat äußern zu dürfen, wenn Organe und Instrumente fehlen. Überlässt man den Journalismus dem Markt, kommt raus, was dem Markt halt so gefällt. Der kommerzielle Vielfraß gebiert eine Vielfalt ganz eigener Natur. Bestimmt wird sie durch diverse Werbeetats. Konforme Berichterstattung wird damit zwar nicht direkt erkauft, aber sie drängt sich auf. Im Ernstfall wird publiziert, was sich auszahlt. Selbstzensur, Opportunismus und die schiere Angst um Job und Auftrag bestimmen den Medienmarkt.

Staatliche Alimentierungen sind heute sicher eine Möglichkeit, diesen Zustand, wenn auch nicht zu beheben, so doch zu lindern. Eine Verrechtlichung der Presseförderung wäre auf jeden Fall ein Fortschritt. In vielen europäischen Ländern gibt es geregelte wie regelmäßige Unterstützung für diverse Medien, damit diese sich überhaupt halten können. So auch in Österreich. Das macht durchaus Sinn, sollte die Umsetzung nicht Anliegen und Vorhaben hintertreiben. Anfang der Nullerjahre versuchte etwa die ÖVP trickreich wie erfolgreich, missliebige linke Blätter von den Förderkörben auszuschließen. Erst nach einem jahrelangen gerichtlichen Streit, musste dieser Radikalenerlass zurückgenommen werden. Und die Kriterien sind für kleine Herausgeber mitunter nicht ohne. Der bürokratische Aufwand, um an die Staatsknete zu kommen, ist erheblich. Im Förderdschungel muss man sich erst einmal zurechtfinden.

Das Volumen der Förderungen ist nicht das Problem, wohl aber die Verteilung. Der Großteil der zur Verfügung stehenden Gelder landet nämlich in den Kassen etablierter Medien. Reklameschaltungen der öffentlichen Hand konterkarieren zusätzlich die Publizistikförderungen und fungieren als Booster für den Boulevard. Vielfalt wird durch die Praxis vielfach ins Gegenteil verkehrt. Die freihändige Vergabe von Einschaltungen erfolgt der Summe nach fast ausschließlich an Medien mit großer Reichweite. Die Inseraten- und Förderpolitik läuft zusehends aus dem Ruder. Das Vergabesystem agiert willkürlich und intransparent. Zielgenauigkeit ist nicht gegeben, Qualität keine Prämisse. Freilich ist es auch nicht leicht, hier verbindliche Qualitätsrichtlinien festzulegen. Sie sind ein steter Zankapfel. Zusammengefasst geht es aber um die Umgestaltung der Kriterien, nicht um die Eliminierung des Instruments. Der Wegfall würde die kleinen Verleger viel entschiedener treffen als die großen Fische. Viele vermögen bloß zu existieren, weil diese Gelder fließen, sie also von der Marktabhängigkeit in die Staatsabhängigkeit flüchten. Wichtig wäre, dass Medien effektive Möglichkeiten erhalten, zu publizieren. Für die Öffentlichkeit vermag man nur zu schreiben, wenn die Veröffentlichung halbwegs öffentlich wird.

Ein Grundproblem besteht heutzutage auch in der Überförderung des öffentlich-rechtlichen Sektors. Deren Sendeanstalten ziehen auch deswegen soviel Unmut auf sich, weil sie unerträglich viel abkassieren. Sie werden maßlos überfüttert, um dann diese Übersättigung noch penetrant zur Schau zu stellen. Von ihrem Gehalt schließen gar manche auf ihren Gehalt. Zu fragen bleibt, ob die aktuelle ARD-Affäre nur ein (weiterer) ungustiöser Fall gewesen ist, oder ob derlei nicht Usus ist oder besser noch: System hat. Ob also Schlesingers Absturz einen Unfall darstellt oder ob dieser als Zeichen eines drohenden Kollapses des gesamten etablierten Mediensystems zu deuten ist. Bläst sich hier eine Blase noch einmal kräftig auf bevor sie platzt?

aus: Freitag, Nr. 36, 8. September 2022

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