Streifzüge 70/2017
2000 Zeichen abwärts von Karl Kollmann
In den 1920er Jahren, als die meisten Haushalte im Westen elektrisches Licht hatten, erfanden die Glühlampenhersteller ein Kartell (Phoebuskartell): Die Lebensdauer einer Lampe wurde von den Herstellern mit 1000 Stunden „normiert“. Technisch minimal teurer wäre das Doppelte drin gewesen. Diese Verkürzung hat die Menschen Milliarden gekostet und für die Umwelt war es auch nicht klug – aber Industrie und Handel freuten sich.
Ab den 1960er Jahren setzte eine öko- und verbraucherorientierte Diskussion über technische (geplante) und psychologische (Mode) Obsoleszenz ein. Damals gab es jährlich zwei Kollektionen in der Bekleidung, heute kommen jeden Monat neu designte, asiatisch produzierte Fetzen in den Handel. 40 bis 70 Stück werden jährlich von einer Deutschen gekauft (ohne Unterwäsche und Strümpfe). Rund 10.000 Gegenstände soll der Durchschnittsdeutsche alles in allem besitzen.
Wir leben jetzt knapp hundert Jahre nach dem Glühlampenkartell und sind, was Verschleiß, Abnutzung, Ausbeutung und Verschwendung anlangt, kein Stück weitergekommen. Textilien werden nicht repariert, sondern weggeschmissen und bei den vielen Geräten ist es oft nicht anders. Reparieren zahlt sich nur bei teuren Dingen aus, meist ist es zu teuer gegenüber einer Neuanschaffung, das ist eine empirische Erfahrung und mittlerweile die – übrigens achselzuckende – Meinung der Mehrheit. Da und dort gibt es nun zwar Reparatur-Cafés, in Wien darüber hinaus das RUSZ – aber das wirkt sich nicht einmal im Promillebereich aus. Lebensdauerinitiativen, klar ginge das, aber man kann sich nicht um alles kümmern.
Perspektivenwechsel: Bei linksgrünen Nachwuchskünstlern ist es chic geworden, eine Wohnung in Wien bzw. Berlin und eine in London zu haben. Da muss man zwar viel fliegen, aber das kostet ja fast nichts mehr und ist schön multikulti. Für mich ist das ein hübscher Beleg, vor lauter Selbstgefälligkeit, Individualismus und Pluralität, alles was sinn- und maßvoll wäre, aus den Augen verloren zu haben.