In Österreichs kleinstem Bundesland koalieren Hans Niessls Sozialdemokraten nun mit den Freiheitlichen. Eine Überraschung sollte das keine darstellen
von Franz Schandl
Vor allem in der politischen Praxis sind SPÖ und FPÖ nicht so weit voneinander entfernt als seitens der Sozialdemokraten immer wieder getan und auch von den Medien gerne unterstellt wird. Wenn der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) meint, dass es „keine Barrieren gibt, die nicht zu überwinden sind“ und auch der freiheitliche Spitzenkandidat Johann Tschürtz feststellt, dass es „keinerlei Unstimmigkeiten“ gibt, dann mogeln sie nicht. Es ist so. Leider. Es gibt keinen Rechtsruck, die SPÖ war vorher nicht linker als jetzt. „Real ändert sich nichts, was aber optisch getrennt gewesen ist, wird nun wieder vereint“, schreibt Hans Göttel, der Studienleiter des Europahauses in Eisenstadt.
„Grenzen kontrollieren. Wirtschaftsflüchtlinge abschieben“ (Strache), da ist man sich näher als gemeinhin angenommen werden darf. So wird es im Burgenland kein Erstlager, kein Asylzentrum und keine Kasernen für Flüchtlinge geben. Wir hätten uns eh bemüht, werden fortan die Sozialdemokraten erzählen, aber uns sind die Hände gebunden. Gleichzeitig werden sie sich die Hände reiben und in Unschuld waschen. Die FPÖ ist (nicht nur hier) direkter und gröber, aber mehr als eine Vollstreckerin herkömmlicher Politik in Österreich oder auch der EU ist sie nicht. Damit wird jene nicht verharmlost, sondern umgekehrt ihre etablierten Gegner werden nicht mehr bagatellisiert. Vom Großteil ihrer Wählerschaft wird der SPÖ eine restriktive Politik in der sogenannten Ausländerfrage alles andere als übel genommen. Das ist die traurige Realität, die es zwar nicht anzuerkennen, aber doch zu erkennen gilt. Das große Problem sind weniger die Parteien als die Wähler selbst. Das allerdings traut sich niemand offen auszusprechen.
Hans Niessl, der jetzt als Buhmann erscheint, hat nur auf den Punkt gebracht, was ist. Niessl, Jahrgang 1951, von Beruf Hauptschullehrer, war von 1987 bis 2000 Bürgermeister in Frauenkirchen, einer kleinen Gemeinde im burgenländischen Seewinkel. Seit 2005 ist er Landeshauptmann in Eisenstadt, außerdem noch stellvertretender Bundesparteivorsitzender der SPÖ. Vom Typus her ein braver Parteioffizier, in keiner Hinsicht auffällig. Aber jetzt, wo es um den Posten des Landeshauptmannes ging, wollte sich Niessl von ÖVP und FPÖ nicht austrixen lassen. Dass dies nicht von der Hand zu weisen ist, offenbarten die parallelen Ereignisse in der Steiermark. Dort hatte die ÖVP nach verlorener Wahl und obwohl nur Zweiter, von der SPÖ den Landeshauptmann erpresst und Franz Voves zur Abdankung gezwungen. Ansonsten hätte sie mit der FPÖ koaliert. Die SPÖ hat sich in Graz als stimmenstärkste Partei zwar in die Regierung „gerettet“, aber eine große Demütigung erfahren.
Würde man das rot-blaue Regierungsübereinkommen wirklich analysieren, müsste eigentlich etwas anderes auffallen. Und zwar die neoliberale Stoßrichtung des gemeinsamen Programms. Modernität offenbart sich in den Totschlagwörtern einer ökonomifizierten PR-Sprache. Textbausteine werden aneinandergereiht, es dominiert das Copy&Paste-Verfahren. Zuhauf finden sich Sätze wie „Zudem ermöglicht die Neuausrichtung des ‚Konzern Burgenland‘ mehr Effizienz, Transparenz und die Hebung von Synergien.“ Im neuen Tourismusgesetz gelte es das Prinzip „weniger Geld für die Verwaltung, mehr Geld für Marketing“ umzusetzen. Man weiß, was man zu sagen hat, auch wenn man nicht so genau weiß, was man sagt.
Es war immer nur eine Frage der Zeit bis die Ausgrenzung der FPÖ durch die SPÖ kippen wird. Das ist nun der Fall. Dass es ausgerechnet Niessl ist, ist hingegen Zufall. Wenn man ihm gar vorwirft, dass er jetzt ein Tabu bricht und Unerhörtes tut, dann wird so getan, als hätte die SPÖ das Schlimme bisher nicht auch schon getan. In nicht wenigen Gemeinden koalieren SPÖ und FPÖ, oft verdeckt, manchmal ganz offen. Bis vor kurzer Zeit gab es in fast allen Bundesländern eine Proporzregelung. Ab einer gewissen Stärke standen allen Parteien Landesräte in der Landesregierung zu. Die FPÖ war also schon bisher in den meisten Landesregierungen vertreten. Was früher automatisch galt, ist nun eine Frage freier Partnerwahl. Eine richtige Premiere ist das nicht.
Zweifellos hat Niessl einen SPÖ-Parteitagsbeschluss, der da lautet, dass mit der FPÖ auf keiner Ebene koaliert werden darf, ignoriert. Der Landeshauptmann bezeichnet diese Vorgabe inzwischen auch offen als einen Fehler. Niessl tut nichts Außergewöhnliches, er tut das, was in solchen Situationen oft getan wird. Politik konstituiert sich durch die Differenz zwischen Aussage und Handlung. Diese Differenz ist keine Widerspruch, sondern eine Entsprechung. Seit langem gibt es in der SPÖ prominente Vertreter, die sich für eine engere Kooperation mit den Freiheitlichen ausgesprochen haben. Man denke nur an Karl Schlögl, den ehemaligen Innenminister und nunmehrigen Bürgermeister von Purkersdorf, der immer schon diese Variante forcierte. Viele Gewerkschafter und Lokalpolitiker meinen, dass sie mit der rechtspopulistischen Partei, besser fahren als mit der marktliberalen ÖVP. So ziemlich nichts ist neu, was da abgeht.
Dass Niessl mit der Entscheidung Grundsätze (welche?) über Bord geworfen haben soll, kann man nicht sagen, und die SPÖ-Basis im Burgenland sieht das genau so. Niessl ließ sich sein Bündnis ausdrücklich durch eine Mitgliederbefragung demokratisch legitimieren. Man soll das nicht goutieren, aber so tun als sei da nun Verrat im Spiel und die Identität der SPÖ (welche?) in Gefahr. Das ist allemal theatralisches Getöse. Ebenso die obligate Rücktrittsforderung an Bundeskanzler und Parteichef Werner Faymann.