von Franz Schandl
Persönlichkeitsstörungen sind, so sagt der Psychologe Reinhard Haller, „vorzügliche Charaktereigenschaften zum Karrieremachen“ (Der Standard, 23. Dezember 2006). Was er nicht sagt, ist, dass Karriere gerade deswegen eine schwere Störung ist. Ja sogar noch mehr: Nicht nur die Persönlichkeitsstörung ist eine Störung, sondern ebenso die Persönlichkeit selbst. Dem ist so. Diese Aussagen sind übrigens Dekrete, sie lassen keinen Widerspruch zu. Wer dagegen ist, hat sich sowieso für die freiwillige Einlieferung ins Arbeitslager entschieden.
Je gestörter jemand ist, desto größer also die Chancen, desto besser wird er oder zunehmend auch sie die Karriereleiter raufklettern. Wenn man schon sonst nichts hat vom Leben, zu einer Karriere wird’s doch noch reichen. Es ist da ein ständiges Defizit, das uns antreiben soll, man ist sich etwas schuldig. Und den anderen noch mehr. Das Ich ist sich nicht genug, es hat sich als Rolle zu etablieren. Ziele werden gesteckt und Aufgaben gestellt. Fehlt nur noch die Kompetenzbasis und das Netzwerk. Nicht zu sich kommen sollen die Leute, sondern etwas werden, eine Laufbahn einschlagen. Dafür burnen sie – in and out! Die Gewordenen und die Ungewordenen treffen sich im Bekenntnis dieses Werdens. Aber ich red mir’s da leicht, denn aus mir ist ja auch akkurat nichts geworden. Mit 50+ ist es sowieso schon zu spät.
Karriere macht krank, weil sie krank ist. Die scheitern, scheitern und die nicht scheitern, scheitern auch. Wer da gescheiterter dran ist, ist oft schwer zu sagen. Tatsächlich muss nur etwas werden, wer nichts ist. Nichtig das Subjekt, das solche Bestimmungen nötig hat. Wer meint, ein Karriereprofil haben zu müssen, ist entweder ein gefährlicher Irrer oder eine bedrängte Kreatur. Beide Typen tun nicht gut, weder sich noch anderen. Die Alternative, ob jemand ein scharfer Hund ist oder ein armer Hund, ist keine. Kein Hund zu sein, das wäre eine.