Streifzüge 53 / Herbst 2011
aus: Manifest gegen die Arbeit (Gruppe krisis)
Nicht nur faktisch, sondern auch begrifflich lässt sich die Identität von Arbeit und Unmündigkeit nachweisen. Noch vor wenigen Jahrhunderten war der Zusammenhang zwischen Arbeit und sozialem Zwang den Menschen durchaus bewusst. In den meisten europäischen Sprachen bezieht sich der Begriff „Arbeit“ ursprünglich nur auf die Tätigkeit des unmündigen Menschen, des Abhängigen, des Knechts oder des Sklaven. Im germanischen Sprachraum bezeichnet das Wort die Schufterei eines verwaisten und daher in Leibeigenschaft geratenen Kindes. „Laborare“ bedeutet im Lateinischen so viel wie „Schwanken unter einer schweren Last“ und meint allgemein gefasst das Leiden und die Schinderei des Sklaven. Die romanischen Wörter „travail“, „trabajo“ etc. leiten sich von dem lateinischen „tripalium“ ab, einer Art Joch, das zur Folter und Bestrafung von Sklaven und anderen Unfreien eingesetzt wurde. In der deutschen Redeweise vom „Joch der Arbeit“ klingt eine Ahnung davon nach.
„Arbeit“ ist also auch dem Wortstamm nach kein Synonym für selbstbestimmte menschliche Tätigkeit, sondern verweist auf ein unglückliches soziales Schicksal. Es ist die Tätigkeit derjenigen, die ihre Freiheit verloren haben. Die Ausdehnung der Arbeit auf alle Gesellschaftsmitglieder ist daher nichts als die Verallgemeinerung von knechtischer Abhängigkeit und die moderne Anbetung der Arbeit bloß die quasi-religiöse Überhöhung des Zustandes.
Dieser Zusammenhang konnte erfolgreich verdrängt und die soziale Zumutung verinnerlicht werden, weil die Verallgemeinerung der Arbeit mit ihrer „Versachlichung“ durch das moderne warenproduzierende System einherging: Die meisten Menschen stehen nicht mehr unter der Knute eines persönlichen Herrn. Die soziale Abhängigkeit ist zu einem abstrakten Systemzusammenhang geworden – und gerade dadurch total.
Aus: Manifest gegen die Arbeit
(Gruppe krisis)