Ampel installiert

In Österreich kommt es erstmals zu einer Koalition zwischen Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen

von Franz Schandl

Nun ist es aber flott gegangen. War das erste Scheitern eine Niederlage, so wäre ein nochmaliges Scheitern eine Blamage sondergleichen geworden, die sich niemand, insbesondere die ÖVP, mehr hätte leisten können. So zimmerte man ein Regierungsprogramm und bereits am Montag ging es zur Angelobung. Große Freude kommt kaum auf, außer bei den liberalen Neos, die ihre Regierungsbeteiligung geradezu euphorisch bejubeln.

Weniger wurden tragfähige Kompromisse gefunden, als dass man sich gegenseitig Spielraum für die jeweilige Agenda lässt. Dass etwa die Liberalen den Konservativen die Bildungspolitik entrissen haben, kann durchaus als Fortschritt gedeutet werden. Nicht nur die Ressorts werden aufgeteilt, auch die Rayons werden inhaltlich den jeweiligen Partnern überlassen. Vielleicht ist das Schlagwort der Zuckerlkoalition sogar als analytischer Begriff brauchbar. Man verteilt Süßes an die jeweilige Klientel. Ob das langfristig geht und sich ausgeht, ist eine Frage, zumindest ist es origineller als der kleinste gemeinsame Nenner, der hauptsächlich darin besteht, die Partner zu behindern und einzuschränken.

Zusammengeschweißt hat letztlich der gemeinsame Feind, die Kickl-FPÖ. Das Bündnis ist ein Negativbündnis, was heißt, die koalieren miteinander, weil sie es müssen, wollen sie die Freiheitlichen verhindern. Das mag ehrenhaft sein, es stellt sich nur die Frage, wie weit es trägt und ob es abseits dieser taktischen Überlegungen strategische Perspektiven gibt. Das Regierungsprogramm ist vielfach sehr vage gehalten. Man wird „in Betracht ziehen“, „evaluieren“, „prüfen“ und „gegebenenfalls“ etc.-

Andreas Babler wiederum hat es geschafft, seine Kontrahenten in der Partei, vor allem die Möchtegern-Oberbefehlshaber um den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, ruhig zu stellen. Das ist doch eine Leistung, wenn man sich den Apparat der SPÖ vor Augen führt. Ebenso, dass er der angeschlagenen ÖVP einiges abverhandeln konnte. Mit der Bestellung des dezidiert linken Ökonomen Markus Marterbauer als Finanzminister und der Feministin Anna Sporrer als Justizministerin hat er jedenfalls Courage bewiesen.

Babler setzte sein Team durch, ebenso eine Mietpreisbremse, eine befristete Bankenabgabe und verhinderte die Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters, das zur Zeit bei 65 Jahren liegt. Der SP-Vorsitzende und neue Vizekanzler ist offensichtlich zufrieden und geht gestärkt aus den Koalitionsverhandlungen hervor. Gelegentlich wirkte er durchaus beeindruckt von sich und seinen Verhandlungskünsten. Im Jänner hatte man ihm noch die Hauptschuld am Abbruch der ersten Koalitionsgespräche gegeben. „Der Kompromiss ist gelungen“, meint er, nun werde man „Österreich nach vorne bringen“. – Nur, wo ist vorn?

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