von Franz Schandl
Vor Jahren hätte die niemand auf der Rechnung gehabt. Als die Jungen Grünen, denen auch Kay-Michael Dankl angehörte, 2017 von ihrer Mutterpartei in einem Akt brutaler Dummheit ausgeschlossen wurden, hätte ihnen kaum jemand eine relevante politische Zukunft vorausgesagt. Inzwischen sind die Jungen Grünen fester Bestandteil der KPÖ, spielen deren Exponenten dort eine führende Rolle. In Salzburg kann man wohl von einer Übernahme der KPÖ sprechen. Vorstellen muss man sich das ungefähr so: Sieben junge Aktive treten einer Gruppe mit drei älteren Herren bei. Die Kommunistische Partei war in diesem Bundesland faktisch inexistent, in keiner einzigen Kommune war sie vertreten. Anders als in Graz, wo die kommunistische Tradition nie ganz abgerissen ist, hat die Stadt Salzburg eine solche nicht einmal in Ansätzen zu bieten. Da war nichts, woran man hätte anknüpfen können. Comeback ist das keines.
Auch nach Dankls Einzug in den Salzburger Gemeinderat 2019 mit 3,7 Prozent, hätte wohl niemand auf diesen rasanten Aufstieg gesetzt. Erst mit dem spektakulären Stimmenzuwachs bei der Landtagswahl im Vorjahr hat sich das geändert. Der Historiker Kay-Michael Dankl (35) wirkt wie der nette Junge von nebenan, fast wie ein Posterboy. Vom Bürgerschreck keine Spur. Dankl und Co ecken nirgendwo an, selbst in der Frage der Neutralität – ein klassisches Thema der KPÖ – hält man sich auffällig zurück. Die Militarisierung des Westens oder die Kriegspolitik der NATO stehen kaum im Vordergrund. Auf Nachfragen reagiert man vorsichtig und defensiv. Mit dem Mainstream will man es sich nicht unbedingt anlegen. Brav surft man auch die woke Welle.
Während man taktisch, organisatorisch und auch performativ sehr gut aufgestellt ist, herrscht ziemliche Funkstille, was Inhalte und Perspektiven betrifft. Ob das Ausweichen und Umschiffen langfristig trägt, darf bezweifelt werden. Aktuell stört es nicht. Dankl steht für eine sehr pragmatische Linie, am ehesten vertritt er klassisch sozialdemokratische Forderungen und Positionen. Den fast schon monothematischen Schwerpunkt bildet wie in Graz die Wohnungsfrage. Die Mieten in der Festspielstadt sind vielfach unleistbar geworden, dafür wird die Stadt überschwemmt von Touristen und Autos, der öffentliche Verkehr liegt im Argen.
Die blinde Verteidigerin des Privateigentums, die konservative ÖVP betätigt oftmals auf hohem Level wie tiefem Niveau die Orgel provinzieller Korruption. In Salzburg hatte man jedenfalls die Volkspartei bis oben hin satt, sie wurde fast halbiert. Doch selbst der Wahlsieger SPÖ fuhr das schlechteste Resultat seit 1945 ein. Ebenfalls bescheiden blieben die Ergebnisse von FPÖ und Grünen. Die KPÖ hingegen legte von 1 auf 10 Mandate im Gemeinderat zu. Was soll man dazu sagen? Erdrutsch ist eine Untertreibung, eher schon ist da am Sonntag der Mönchsberg implodiert. Tatsächlich ist mehr eingestürzt als dass da etwas umgestürzt wurde. Es gleicht einem Elementarereignis im Mikrokosmos. Im ersten Durchgang der Direktwahl zum Bürgermeister erhielt Dankl 28 Prozent, der Kandidat der Sozialdemokraten Bernhard Auinger knapp über 29 Prozent. Am 24. März kommt es nun zur Stichwahl. Es wird also noch einmal spannend. Der Ausgang ist offener als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Dass Dankl medial omnipräsent ist, ist weniger auf dessen Begabung als auf die Medien selbst zurückzuführen. Die Bühne wurde nicht erobert, sie wurde ihm regelrecht angeboten und aufgedrängt. Es tut sich was, ohne dass die Akteure so genau wissen was.
Die Wähler rotieren, und wenn sie sich nicht absentieren, dann experimentieren sie. Dankls Stimmen sind auch aus allen Ecken zusammengeholt. Wie substanziell sie sind, wird die Zukunft weisen. Auffällig ist, dass beträchtliche Teile des Salzburger Bürgertums wie Kleinbürgertums sich nicht nach rechts orientieren (die FPÖ-Zugewinne fielen äußerst mager aus), sondern eher nach linken Alternativen Ausschau halten. Die Kommunisten können es kaum schlechter und einfallsloser machen, außerdem sind sie fleißig und integer, gut ausgebildet und agieren nicht hinterrücks. Noch dazu versuchen sie unentwegt für die leute da zu sein. Wie die Grazer Mandatare um Elke Kahr spendet auch Dankl einen beträchtlichen Teil seiner Gage für Menschen in Not. Diese praktizierte Solidarität kommt nicht nur bei den Empfängern gut an. Die KPÖ wirkt glaubhaft. Dankls Sieg ist aber nicht klassenanalytisch zu deuten, auf jeden Fall beobachten wir keine bedeutenden Verschiebungen im Kräfteverhältnis ökonomisch definierter Interessensgruppen. Das klassische Proletariat ist in der Stadt Salzburg sowieso eher marginal vertreten.
Das Bürgertum verteidigt also nicht seine Bastion gegen einen linken Ansturm. Man hat sogar das Gefühl, als ginge der Klientel zunehmend die eigene Klientel auf die Nerven, so als hätte sie mittlerweile Distanz zu sich selbst entwickelt. Das spricht für sie. Die Bürger erschrecken mehr vor sich selbst als dass sie erschreckt werden. Selbst im Magistrat der Stadt Salzburg, so wird glaubhaft erzählt, hat man inzwischen große Sympathien für Dankl entwickelt. Die Verwaltungsapparate sind also bereit, diverse Seil- und Herrschaften abzuschütteln, ihnen nicht automatisch die Mauer zu machen.
Dankl und die Salzburger KPÖ sind ein Projekt äußerer Projektionen. Ein Sammelsurium diverser Aversionen und Hoffnungen, Haltungen und Wünsche, insgesamt aber weitgehend unbestimmt. Dankl ist dessen Gesicht und vor allem auch dessen sonore Stimme. Mehr sanft als rebellisch. Wer das für ein ausgefuchstes Täuschungsmanöver hält, überschätzt die Kommunisten maßlos. Einschätzungen werden schwieriger, die meisten Analogien greifen zu kurz, Feindbilder sind oft nur noch retro. Gegenwärtig geht vieles durcheinander, alte Fronten lösen sich auf, neue Konfrontationen rücken ins Zentrum. Der Ruck ist also nur bedingt ein Linksruck. Die Bereitschaft zum Aufbruch ist gegeben, auch wenn man nicht weiß, wohin die Reise geht und auch nicht, was das alles überhaupt bedeuten soll.
Was viele Kommentatoren und Beobachter noch nicht verstanden haben: Der Antikommunismus ist kein Supertrumpf mehr. Vielmehr ist es chic, bis weit in die politische Mitte hinein, die kommunistische Karte zu zücken. Dass die KPÖ die „rote Gefahr“ sei, glaubt fast niemand mehr. Das „böse Wort Kommunismus“ (ORF-ZIB2) fürchten immer weniger. Die ideologischen Exorzisten sitzen anderswo. Wer von „linkslinker Revolution“ schwadroniert, verweist bloß auf die Beschränktheit von Jargon und Denke. Und zwar auf die eigene. Wenn der ÖVP-Spitzenkandidat Florian Kreibich gar „Kreibich oder Kommunismus?“ plakatieren lässt, bleibt einem wirklich nur die Flucht in den Kommunismus übrig. Der Prickel ist größer als die Angst. Das sollte zumindest zur Kenntnis genommen werden. Aktuell ist das Momentum auf Seiten der KPÖ.