von Petra Ziegler
Es würde schon helfen. Das Eingeständnis der eigenen Verstricktheit wäre ein notwendiger erster Schritt. Ent-Täuschung steht am Beginn aller Befreiung. Doch unserem Denken scheint kaum etwas ferner. Wir überschätzen unsere Spielräume. Allen täglichen, und durchaus so empfundenen objektiven Zwängen zum Trotz glauben wir uns weitgehend in Freiheit. Auf diese Freiheit pocht unsereins. Frei zu tun oder zu lassen, frei tüchtig was zu leisten. Um uns dann ordentlich was leisten zu können. Wir haben es doch in der Hand. Freilich – und das versteht sich gewissermaßen von selbst – auf Grundlage der bürgerlich-demokratischen Ordnung. Wenn es die ökonomische Vernunft gebietet, dann muss eben länger gearbeitet werden, dann muss eben mehr produziert werden, dann muss ein steigender Ressourcenverbrauch in Kauf genommen werden und ein mehr an Emissionen, dann wachsen die Müllberge eben weiter, dann muss eben gespart werden im Sozialbereich und den Faulpelzen das Geld gestrichen werden. Letzteres sowieso.
Wie es ist, muss es nicht sein. Die Nicht-Notwendigkeit der herrschenden Zustände ist geradezu das Charakteristikum unserer Zeit, macht sie skandalös und unannehmbar. Wann immer uns vorgerechnet wird, wie viel an monetären Mitteln nötig wäre – für die Versorgung aller mit Essentiellem etwa, für dies oder jenes –, heißt das in Wahrheit: Es ist machbar! Wir können das! Nicht, es wäre vorstellbar irgendwann, in hundert Jahren vielleicht …, sondern: Jetzt! (Oder allenfalls, sobald das Nötige herangeschafft ist.) Dass unsere Wirklichkeit eine andere ist, liegt nicht an mangelnden Fähigkeiten oder Kenntnissen, nicht an technischem oder logistischem Unvermögen, nicht mal am Unwillen, an Gott oder Teufel, schlechtem Karma oder irgendeiner menschlichen Natur. Es ist dem verrückten Automatismus geschuldet, allem, was es so braucht, auch noch Wert anzudichten. Das ist uns ganz selbstverständlich geworden, nennt sich Geld und bestimmt die Regeln: Nur was sich rechnet, darf wirklich werden, Machbarkeit entscheidet sich an Finanzierbarkeit. Und so gut wie alle glauben dran.
Die unselige Gewohnheit, ein auch nur einigermaßen menschenwürdiges Auskommen an den Erfolg eines reinen Selbstzweckunternehmens (nämlich aus Geld mehr Geld zu machen) zu knüpfen, vernebelt die Köpfe. So vollständig, dass ein Hinterfragen erst gar nicht in den Sinn kommt. So selbstverständlich, dass alle Verrücktheiten, die die kapitalistische Logik produziert, als Sachzwänge akzeptiert und vor jedes Bedürfnis gestellt werden.
Die Vorgaben von Ware und Wert schaffen Fakten. Sie erst formen, was uns als Realität tagtäglich konfrontiert und wir fortgesetzt reproduzieren. Die herrschende Realität bleibt, solange wir danach handeln, tatsächlich unhintergehbar. Erst wenn wir uns unsere Befangenheit in den Verhältnissen vergegenwärtigen, können wir erahnen, dass die engen Grenzen innerhalb der gesetzten Form nicht den Horizont unserer Möglichkeiten bilden.
Wie sie denn nun aussehen soll die Welt jenseits des Kapitalismus, wohin soll es gehen? Und: Wie kommen wir dahin? „Was habt ihr anzubieten?“, fragt die gelernte KonsumentIn und beklagt fehlende Rezepte. Analysiert sei ja nun schon genug. – Ja und Nein, möchte ich sagen. Wie schnell lassen sich in den vermeintlichen Alternativen Spuren des Alten erkennen, fällt, was zur praktischen Umsetzung drängt, hinter die Kritik zurück. Dem Kern der Verhältnisse ist mit Umackern an der Oberfläche nicht beizukommen. Eben das macht die Kritik von Wert und Arbeit klar. Was aus dem Erkennen all dessen wie es eben nicht geht an Orientierung gewonnen werden kann, ist keine Kleinigkeit.