von Franz Schandl
So recht vom Fleck kommt die SPÖ nicht. Der Startbonus des neuen Parteivorsitzenden, Andreas Babler, hat sich bereits verflüchtigt. Während die Nehammer-ÖVP mit ihrer Kampagne „Glaub an Österreich“ durchaus ambitioniert (wenn auch zusehends rechts und autoritär) wirkt und auch die Kickl-FPÖ glaubwürdig einen „heißen Herbst“ verspricht, weiß die SPÖ nicht so recht, was sie anstellen soll, um adäquat wahrgenommen zu werden.
Babler soll jedenfalls verkauft werden als „einer von uns“. Freilich ist es leichter als erfolgreicher Bürgermeister eine Kleinstadt wie Traiskirchen zu bespielen als ein ganzes Land. Das Amikale ist nur auf kleinem Raum möglich. Da mag der Obmann auch unentwegt durchs Land tingeln, das vielbeschworene „Charisma der Nähe“ ist in der Weite nicht zu finden. Will es sich ausweiten, muss es televisionär und virtuell aufgezogen werden, verliert aber dadurch einiges an Authentizität. Schnell und laut und im Dialekt sprechen wird nicht ausreichen. Auch die Arbeiterklassen-Folklore wird ihn nur mäßig pushen. Dass Babler einen Erdrutsch wie Sebastian Kurz bewerkstelligen könnte, ist ausgeschlossenen. Schon wenn es ihm gelingen sollte, die FPÖ abzufangen und bei den Nationalratswahlen im Herbst 2024 knapp als Erster über die Ziellinie zu gehen, wäre das ein beträchtlicher Erfolg. Dass man eine Ampel aus SPÖ, Grünen und liberalen Neos schmieden will, ist bekannt, allerdings wird es für eine solche keine Mehrheit geben.
Die Stimmung hält sich in Grenzen. Erst letzte Woche gab es wieder einen gröberen Unfall, als ein für einen keinen Parteikreis bestimmtes internes Papier unabsichtlich an einen falschen Verteiler verschickt wurde. Zwar nicht durch die SPÖ selbst, aber immerhin durch das das Konzept erstellende Institut SORA. Die Agentur wurde auch postwendend abgestraft. In den letzten Jahren verantwortlich für Hochrechnung, Auswertung und Analysen bei Wahalbenden im ORF, wurden ihr prompt alle Aufträge gekündigt.Blöd gelaufen. Spott und Häme waren die Folge. Den Scherm hat jedenfalls die SPÖ auf, mag sie nun Schuld sein oder nicht. Babler setzt jetzt ganz auf Beschwichtigung, macht auf cool, so als wäre da gar nichts passiert.
Zweifellos, das alles ist ziemlich peinlich. Es ist auch nicht glaubwürdig, dass die SPÖ von dem Papier nichts gewusst haben will. Kaum anzunehmen, dass SORA hier ohne Feedback agierte. Informell gab es sicher Absprachen. Dass das Verhältnis der SPÖ zu SORA ein enges bis inniges ist, ist ja allgemein bekannt. Aber alleine dass parteiinterne Strategien und Konzepte heute offenbar nicht mehr selbst erarbeitet werden, sondern outgesourct und zugekauft werden müssen, zeigt wie tief die Sozialdemokratie intellektuell und organisatorisch bereits gesunken ist.
Mehr als ein dürftiger Leitfaden eines zukünftigen Wahlkampfs sind die geleakten Vorschläge von SORA übrigens nicht, allesamt eher taktischer und nicht strategischer Natur. Inhaltlich und personell (Stichwort Schattenkabinett) wirken sie bieder und konventionell, formal setzen sie wiederum auf ein „Negativ Campaigning“: Die Blockadepartei ÖVP sei die „Hure der Reichen“ und die FPÖ eine „Partei des Hasses“. Mit dem Argument, dass die FPÖ eine „Hass-Partei“ sei, wird man ihr allerdings keine einzige Stimme abjagen. Die, die das wissen, wählen sie eh nicht, und die, die das nicht wissen wollen, wählen sie erst recht. Dass die FPÖ nicht durch ihre Affären auszubremsen ist, könnte man inzwischen wissen. Das Feld der Auseinandersetzung müsste anderweitig abgesteckt werden. Ein zentrales Problem der SPÖ ist auch, dass sie in einigen Fragen gar nicht allzu vehement gegen die Freiheitlichen vorgehen kann, denn die Unterschiede an der jeweiligen Partei- und Wählerbasis sind vor allem in der Provinz geringer als behauptet wird. Viel geringer.
Schon länger schwelt das Kleingarten-Gate der Wiener SPÖ. Da kauften gewichtige Politiker billig Grundstücke an, die dann einige Zeit später von Grünland in Bauland umgewidmet wurden und somit eine massive Preissteigerung erfuhren. Ein bissl Insiderwissen kann nie schaden, außerdem hat man derlei immer gemacht. Jene sozialdemokratischen Kanalarbeiter, denen nichts zu schmutzig und zu primitiv ist, haben einmal mehr zugeschlagen. Alles natürlich streng legal. Weniger als die Optik ist die Haptik hier störend. Gerissen wie sie meinen zu sein, haben sie die Chance genutzt. Dass derlei unbemerkt bleibt, das war jedoch einmal. Dass mit solcher Gerissenheit heute immer weniger zu reißen ist, fällt solchen Typen meist erst im Moment des Abgangs auf.
Diese Mandatare sind nun zur Belastung für die gesamte Sozialdemokratie geworden. Es handelt sich dabei um Leute aus der ersten und zweiten Reihe der Landespartei, Genossinnen und Genossen, denen der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig fraglos seinen Aufstieg zum SPÖ-Chef der Hauptstadt zu verdanken hat. Inzwischen ging dieser vorsichtig auf Distanz und versprach die Untersuchung der Causa. In den Krisensitzungen rauchen die Köpfe. Denn was tun? Opfert man sie, ist das ein Zeichen von Schwäche und ein Schuldeingeständnis noch dazu, opfert man sie nicht, ist das ein Zeichen von Arroganz und Ignoranz. Nutznießer ist einmal mehr die FPÖ.
Die Pannenserie einer Pannenpartei will partout nicht enden. Auch sonst geht vieles durcheinander bei Österreichs Sozialdemokraten. So plakatiert man gegen die Reichen, explizit gegen „René Benko und Co“, vergisst aber, dass einer der prominentesten Kompagnons von Benko Alfred Gusenbauer heißt, einst Kanzler und SP-Chef. So ätzt man gegen den Mega-Urlaub des jungen Mateschitz-Erben, um alsdann den alten Mateschitz als Kronzeugen für die Erbschaftssteuer anzuführen. Man lästert über Red Bull, rekrutiert aber Spitzenpersonal aus dem Dosenkonzern. Eine Hand weiß oft nicht, was die andere tut, höchstens sie wird gewaschen. Ungewollt, aber offen und laufend präsentiert die Partei ihre Konfusion. Regie führt sie nicht. Wenn, dann wird sie vorgeführt.
Die SPÖ erscheint zusehends als die Partei der Patscherten, sei es bei der Strategie, sei es bei der Korruption, sei es in der parteiinternen Interaktion, man denke vor allem an das Auszählungsfiasko bei der Bestellung des Parteichefs. Die Partei kommt nicht und nicht zur Ruhe, geschweige denn in Offensive, sondern ist immer wieder mit sich selbst und vor allem mit Schadensbegrenzung beschäftigt. Was die Funktionäre betrifft, hat Andreas Babler es sicher nicht leicht. Er verfügt über keine veritable Hausmacht, im Prinzip ist die Mehrheit des Apparats gegen ihn, da mögen namhafte Vertreter derselben aktuell auch anderes von sich geben. Gelegentlich wird ja schon wieder gestichelt. Noch dazu sitzt Babler weiterhin das Haupt dieser Partie, sein Kontrahent bei der Wahl um den Vorsitz, der burgenländische Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil im Nacken. Der ist nicht ganz so leise wie er tut. Freilich ist noch ein Jahr bis zur nächsten Nationalratswahl Zeit und da kann vieles passieren. Indes, wenn die SPÖ sich weiter so anstellt und von einem Hoppala in das nächste stolpert, dann wird das wohl nix werden.