von Ilse Bindseil
Die ins Auge gefasste Widerspruchsregelung, die die Zahl der zur Verfügung stehenden Organe erhöhen sollte, hat die Debatte um die Organspende neu belebt. Wer sie verfolgt hat, mochte staunen, dass die Gesellschaft in ihren offiziellen Vertretern gelegentlich imstande ist, über sich nachzudenken. Wobei sich das nur auf den ersten Blick Erstaunliche ergibt, dass der konservative Standpunkt mehr mit Nachdenken zu tun hat als der fortschrittliche, ist er doch „dagegen“, was immer ein guter Ausgangspunkt ist. Für den fortschrittlichen Standpunkt, der etwas durchsetzen will, ging das Nachdenken allenfalls voraus. Hinterher war es bloß noch hinderliches Grübeln. Solches Grübeln zu beseitigen war ja auch das Herzstück der angestrebten Neuerung, die das Nachdenken zu einer freiwilligen Veranstaltung gemacht hätte. Schließlich hätte der Organspende zugestimmt, wer sie nicht ausdrücklich ablehnte. Das für alle Beteiligten unangenehme „Soll ich oder soll ich nicht und was hätte der Sterbende gewollt?“ hätte damit der Vergangenheit angehört, wäre freilich auf merkwürdige Art verhindert worden, indem das Gesetz die geforderte Zustimmung ein für alle Mal erteilte.
Definiert man Fortschritt als das, was technisch machbar und jedenfalls auf kurze Sicht wünschenswert ist, dann muss Nachdenken als Antagonist der Praxis erscheinen. Höchstens spielt es die Rolle, die im Wirtschaftsleben die Anschubfinanzierung spielt, hilft, etwas in Gang zu setzen, was ohne die zündende Idee nicht passiert. Ein ethischer Abgleich, der so etwas wie die flache Version einer tiefschürfenden Überlegung ist, kommt nachträglich hinzu. Er übersetzt das, was passiert, gewissermaßen in Sprache, so dass man sich darüber verständigen und das sonst allzu fremde Geschehen begleiten kann.
Im Kontext der Organspende ist eine solche bei aller Emphase flache Version der Appell an die Solidarität oder gar der an die Nächstenliebe, die beide in erstaunlichem Maße das Moment des Spendens forcieren. Erstaunliche Gründe sind sie allemal, weil sie auf das Bürokratische, Technische und Anonyme einer solchen Spende so gar nicht eingehen. Die wirkt dadurch geradezu bizarr, wird sie doch auf amtliche Weise geregelt und auf hastige und hochtechnische Weise vollzogen. Der Beglückte aber muss sich die Rolle mit dem medizinischen Apparat und seinen Anwendern teilen, die ohne das gespendete Organ ungenutzt und untätig blieben. Er darf weiterleben, gewiss. Aber im Kreislauf des Fortschritts bleibt für ihn wenig mehr als die abstrakte Rolle, dass in ihm deponiert wird, was seine wesentlichen Stadien zuvor durchlaufen hat. Dem Abstoßungsprozess, der als Katastrophe empfunden werden müsste, wird denn auch eher stoisch und mit einer erneuten Transplantation begegnet, setzt er doch den eigentlichen, den technischen Vorgang von Spenden und Empfangen keineswegs außer Kraft, sondern erneut in Gang.
Damit in so komplexem Zusammenhang von Spende gesprochen werden kann, müsste das mit ihr verbundene Anliegen sich nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern mindestens ebenso auf „das Medizinische an sich“ als das im ureigenen gesellschaftlichen Interesse Gelegene beziehen. Dieser Bezug ist aber abstrakt, man muss sich zu ihm aufschwingen, und das Ergebnis ist ungewiss. Ihn gewährleistet daher der Staat, indem er das Gesetz vorgibt. Dem Einzelnen, der sein Organ zur Verfügung stellt, rückt er das Bild eines freimütigen Gebens und Nehmens zwischen gerührten Individuen vor Augen, die, als Maximum in Anschlag gebrachter Philosophie, davon ausgehen, dass das, was sie tun, umgekehrt auch für sie getan würde. Aber dem Anschein von Reziprozität und Symmetrie zum Trotz ist das Verhältnis im Kern bereits durch Ungleichheit bedroht. Aktualität und Potentialität, Einzelheit und Allgemeinheit, Personalität und Anonymität, um nur die Stichworte zu nennen, stehen dagegen. Da das gesamte System der Organspende, inklusive die sie vorantreibende Technik, auf dem Konzept des Individuums ruht, das unbedingt erhaltenswert ist, solange es ein Individuum ist, muss man folgern, dass die Waagschale sich immer schon auf der Seite des Empfängers neigt. Er ist der zum Erben Berechtigte, weil in ihm das Leben pulsiert, das den Spender bereits verlassen hat. Auf eine Formel gebracht: Er lebt, während der andere tot ist. Dessen Anspruch auf Vollständigkeit und Unversehrtheit ist damit hinfällig geworden. Dass eine dynamische Ungleichheit die Beziehung zwischen Spender und Empfänger bestimmt, ist eine unangenehme Empfindung, die die Freude am medizinischen Fortschritt schmälert, mischt sie doch ein Unbehagen in den Erfolg, in das Gefühl gewonnener Zuversicht eine Unsicherheit. Das Individuum mag sich vorkommen, als wenn es nur ein potentieller Spender wäre, jemand, auf dessen persönliche Kosten die abstrakte Gesellschaft würde überleben wollen. Die winkt mit dem ungleich verwerflicheren, aber mit der herrschenden Form der Vergesellschaftung kompatibleren Modell eines längst praktizierten, auf realer Ungleichheit beruhenden Organhandels, wenn nicht -diebstahls und -raubs. Sogar könnte die forcierte Organspende als ein probates Mittel, die illegale ökonomisch zu entwerten, durchgehen. So kann man sich die Sache besser vorstellen und ihr auch leichter zustimmen.
Dem Konservatismus wird nachgesagt, dass er, „ohne groß nachdenken zu müssen“, lediglich bewahrt. Angesichts eines Fortschritts, der auf den Restunterschied zwischen Mensch und Ding zielt, muss er sich seiner Grundlagen vergewissern. Fragt sich nur, ob nicht ebenso auf der linken Position nachgedacht werden müsste, ist im Umkreis der Diskussion um die Organspende fortschrittlich doch lediglich liberal, da die Dinge, so wie sie sich technisch aufdrängen, in ihrem Drive erfasst und möglichst nicht behindert werden sollen. Was im anderen Sinn fortschrittlich ist, diese Frage stellt sich merkwürdigerweise nicht. Die Linke müsste also aus doppeltem Grund nachdenken: angesichts der technologischen Dimension des zu Verhandelnden und angesichts der erprobten konservativen Diskussion nicht gänzlich überflüssig zu wirken. Ohne größeren Aufwand mag man von links noch kritisieren, dass liberal das Unvermeidliche ausdrücklich in den Horizont des Gewünschten rückt und dadurch ein ideologischer Aufwand getrieben wird, der seinerseits eine ideologiekritische Antwort verdient. Darüber hinaus, oder vielmehr dahinter zurückgehend, müsste das Unvermeidliche aber selbst in den Blick genommen werden. Dass Menschen als natürliche Ressource genutzt werden, ist ja nicht neu. Hier geschieht es aber nicht bloß mittelbar über die in ihnen angelegte Körperkraft und Geisteskraft, sondern unmittelbar, nicht durch Anwendung, sondern durch Aneignung oder, um das Defizit auch dieses Begriffs festzuhalten, durch Zerlegung. Um nicht auf Begriffe von altertümlichem Schrecken wie Vampirismus und Kannibalismus zurückgreifen oder sich solcher von moderner Gruseligkeit wie Ausschlachten bedienen zu müssen, müsste die überrumpelte Gesellschaft zivilisierte Begriffe erfinden, die gewissermaßen unbescholten, dabei nicht so naiv wären wie „spenden“. Der Knackpunkt ist die Vereinfachung, die den Fortschritt in die Nähe von Magie rückt: Nicht wird das Organ behandelt, sondern es wird ersetzt. Der von der Warenform imprägnierte Glaube an den Gegenstand formuliert es so: „Nimm doch ein anderes.“ In der Sprache von Regression und Magie: „Für Lebendiges etwas Lebendiges, fürs Gesundwerden Gesundes.“ Sich vom Technischen der Transplantation faszinieren zu lassen hat ebenfalls mit Magie zu tun, sofern man Letztere nicht als Teufelswerk, sondern schlicht als die Ermächtigung von Dingen begreift. Solcher Nähe kann sich die Begeisterung nur durch Nachdenken erwehren. Nicht nur die Ethik muss an das Machbare angepasst werden und wird im gesamtgesellschaftlichen Milieu des Parlaments, der Medien angepasst. Auch die Reflexion, diese als ungeteilte nicht verwertbare Restkompetenz, muss sich mit dem Gegenstand, in dem Fortschritt und Regression, Verdinglichung und Selbstbestimmung so seltsam aufeinandertreffen, auseinandersetzen, und sei es nur, um sich der eigenen Begriffe zu vergewissern. Gibt es noch welche? Taugen sie noch?
Auch wenn angesichts der massenhaften technischen Fakten für Überlegungen, gar „linke Polemik“ wenig Raum bleibt, so interessiert doch die Frage, wie man über die Organspende so nachdenken kann, dass eine als links zu bezeichnende Position erkennbar wird. Erst dann hätte man dem Konservatismus etwas entgegenzusetzen. Man entginge auch der fatalen Logik, dass bei einem Gegenstand, der, salopp gesagt, ans Eingemachte rührt und den Volksvertretern darum für gewöhnlich auch in die freie Entscheidung gestellt wird, nicht nur der politische Gegensatz nichts mehr gilt, eine linke Position überhaupt wie suspendiert erscheint, werden doch vermeintlich ethische, auch religiöse Grundvoraussetzungen berührt, zu denen die Linke, mit einem Mal zum Repräsentanten des bloß Politischen avanciert, nichts zu sagen hat. Dass die freigegebene Entscheidung im vorliegenden Fall quer zu allen Fraktionen verlief, deutet ja nicht nur auf die Vielschichtigkeit des Problems, sondern auch auf die Lücke im politischen Bewusstsein, das es nicht schafft, sich die eigenen Voraussetzungen so anzueignen, dass sich die Entscheidung von selbst ergäbe. Dass sie sich aktuell nicht ergibt, zeigt nicht nur die Tiefe der Sache an oder deren andere Fundamentierung als im Politischen, sondern auch den Mangel an Nachdenken über den eigenen Standort, wobei der Mangel auf der Linken wie gesagt besonders bemerkbar ist, sieht es doch leicht so aus, als wäre sie thematisch gar nicht berührt.
Wenn man einen Schritt zurück unternimmt, weg von der sich aufdrängenden Technik, weg auch von der Dringlichkeit, dann bekommt man es nicht mit ethischen, sondern mit ökonomischen Grundfragen zu tun. Das Stichwort lautet Bewirtschaftung. Ist aus modernem Blickwinkel Profit das Movens der Bewirtschaftung, so rückt die Postmoderne die tief greifende Umwandlung in den Blick, die sie bedeutet. Sie ist ein Movens eigener Art. Das biblische „Macht euch die Erde untertan“ spricht es aus, wenn die Betonung auch trügerisch auf Herrschaft liegt und unterschlägt, dass die untertänig gewordene, ganz und gar in die menschliche Obhut gegebene Erde sich wandelt, dass sie eigene Anforderungen entwickelt, denen nicht nur mit gewohnter Herrschsucht entsprochen werden kann. Solcher Umwandlung wäre mit einem weniger dramatischen Begriff wie „Verräumlichung“ vielleicht besser gedient. Der Blick wäre ein anderer, und er würde anderes enthüllen. Die Organspende, etwa, das ist seit Ishiguros Roman „Never let me go“ von 2005 („Alles was wir geben mussten“) eine Trivialität, ist Produkt und Ausweis einer Ausdehnung des bewirtschafteten Raums bemerkenswerterweise nach innen, von den Äckern und den Erzgruben, dem Großen, Weiten, und Tiefen zurück ins Nahe, Innere und zweifellos Kleine, aber Kostbare des lebendigen Körpers. Religiös aufgefasst, ist es die Entzauberung eines ehemals der Verwertung entzogenen Gegenstands, der in seiner Ganzheit, in seiner Lebendigkeit und Ebenbildlichkeit tabu war und jetzt, im Kontext technischer Macht, ein Behältnis wertvoller Dinge ist. Das erscheint gleichzeitig spektakulär und trivial. Bedenkt man, wie mühevoll die Aufrechterhaltung einer aufs Tabu gegründeten Ordnung, wie verheißungsvoll die Verwertung des freigegebenen Gegenstands ist, dann mag man mit den Schultern zucken: war doch längst fällig, oder? Ist man aber weniger auf den Fortschritt fixiert, dann muss einem das exponentielle Mehr an Verantwortung und Kontrolle auffallen, das er produziert. Dass das Gemachte im Gegensatz zum Gewordenen immer schon kontrolliert ist, ist ein Trugschluss aus der Frühzeit technischen Aufbruchs, als das Experiment das Paradigma des Fortschritts war. Die zeitgenössische Liebe zu Chaostheorien deutet dagegen auf eine andere Erfahrung: dass erst die beherrschte Natur entfesselt und der Herrscher ein wahrer Löcherstopfer und Krisenbewältiger ist.
Die Umwandlung ist auf allen Ebenen der Vergesellschaftung zu spüren. Früher konnte man sprichwörtlich „in Ruhe sterben“, wenn die Nieren, gar das Herz nicht mehr funktionierten. Der Ausdruck „jemanden auf Herz und Nieren prüfen“ kam nicht von ungefähr, waren sie doch Inbegriff des Lebens, ein Synonym für Lebendigkeit. Ihretwegen zu sterben war ein guter Grund, von ihnen abzusehen ein sinnloser Gedanke. Seit der Möglichkeit der Organtransplantation ist der Tod aufgrund nicht funktionierender Organe in der denkbar fatalsten Weise entwertet: er ist unnötig. Ein solcher Tod ist vergiftet. Der Betroffene ist nicht länger traurig, er ist untröstlich. Nur eine Organspende könnte ihn noch trösten. So wartet er nicht auf seinen Tod, sondern auf die Spende. Er stirbt auch nicht an Organversagen, sondern am Ausbleiben der Spende, womöglich am Betrug: dass andere bekommen, was er genauso gebraucht hätte. So drängt sich die Frage auf, wie unter den veränderten Voraussetzungen ein Tod aussehen könnte, der ihm einleuchten würde, so wie ihm vormals versagende Nieren als Todesursache einleuchteten. Unter welchen Bedingungen könnte er resignieren? Was wäre ein Äquivalent für „vorbei“? Für einen Menschen, dem es am Bewusstsein seiner eigenen Konditionen mangelt, konfiguriert es sich in dem bekannten Stoßseufzer: „Bloß nichts merken. Einfach umfallen, und Schluss!“
Im Kummer um das Versagen nicht des Organs, sondern des Spendenmechanismus wird der soziale Zwang fühlbar, der vom technisch Möglichen ausgeht. Dieses ist der Ausgangspunkt, hinter den zurückzugehen sinnlos ist. Möglich bedeutet offenbar wirklich. Wem das Mögliche vorenthalten wird, der fällt noch in anderer Weise aus der Wirklichkeit heraus als der, der bloß stirbt. Zum biologischen Tod erleidet er den sozialen: man hat ihn nicht leben lassen, obwohl man gekonnt hätte! Um solches Elend zu vermeiden, muss der Spender umgarnt, das Band zwischen ihm und dem Empfänger muss enger geschmiedet werden, als die bloße technische Option es zu leisten vermag, gleichzeitig muss es die technische Option ausdrücken. Unmöglich das Angebot, jemandem die Hand zu halten und die Stirn zu kühlen, wenn er doch nach der Organspende verlangt! Nicht weniger schwierig die Vorstellung, dass er seinen Anspruch aus eigenem Antrieb zurückzieht. Wo, im sozialen Feld, will er sich denn verorten? Andere sind jünger, netter, wichtiger als er? Solidarität und Nächstenliebe werden von ihm auch gar nicht mehr verlangt, sind sie doch, das Wort sagt es, auf die Seite des Spenders gewandert. Dabei, allgemein war einmal die Auffassung vom Generationenwechsel, „abtreten“ das Zauberwort, das heute nur noch politisch verwendet wird, stoisch die Haltung gegenüber dem fälligen Tod, zumal wenn es der eigene war, von ungezügelter Trauer dagegen über die, die „vor der Zeit“ starben, brachten die „allzu früh Verstorbenen“ ein akzeptables Lebensmodell doch an die Grenzen seines Sinns, und es öffnete sich ein Fenster in die Zukunft: Wenn die Natur gegen ihre eigenen Regeln verstieß, würde auch der Mensch gegen ihre Regeln verstoßen dürfen. Die Richtung war vorgegeben durch die „Ausreißer“. Es ging um eine Aufhebung der Ausnahme, das heißt um eine Verallgemeinerung, und hatte doch eine Verengung zur Folge: Dieser Mensch hier muss gerettet werden. Er als Individuum zählt. Als Mitglied einer Gemeinschaft dürfte er sterben, als Mitglied der Gesellschaft muss er leben. Er ist der Testfall, ob sie denn eine ist. Dass noch andere da sind, ist in dem Fall ohne Belang.
Über solche Veränderungen muss nachgedacht werden. Was ergibt sich daraus für die Linke? Wenn der Konservatismus mit dem Jenseits des Gesellschaftlichen hantiert, als wenn es gegeben wäre, so reicht es nicht, wenn sie das Metaphysische daran kritisiert. Will sie den konservativen Gedanken etwas an die Seite und zugleich gegenüber stellen, dann muss sie die Gesellschaft von den Grenzen ihres Begriffs her denken. Sie muss sich fragen: Was heißt denn Bewirtschaften? Auf die Organspende bezogen: Was wird durch den technischen, den ökonomischen und biologischen Fortschritt nicht entweder gewonnen oder verloren, sondern, beides zusammengenommen, anders? Insoweit sich das Selbstgefühl des Einzelnen wie immer unbewusst auf den Körper stützt, ergibt sich die schwer zu überblickende Aufgabe, bei einer gewichtigen Verschiebung, wie es die intensivierte Bewirtschaftung ist, das zu ersetzen, was durch den Fortschritt verloren geht.
Mag sein, dass eine solche Überlegung der Linken nicht zu einer auf ihr Linkssein durchsichtigen Entscheidung verhelfen würde. Insofern links sich aber nicht nur durch eine praktische Perspektive, sondern ebenso durch eine original gesellschaftliche Reflexion definiert, würde sie doch eine Lücke füllen, auch die ominöse Tatsache aufklären, warum die Linke sich gelegentlich auf der konservativen Seite wiederfindet und hier den Unterschied eher als auf der Seite des liberalen Fortschritts setzen muss. Bedeutet rechts im altmodisch konservativen, nicht zeitgenössisch populistischen Sinn die Ausgliederung menschlicher Voraussetzungen aus der Gesellschaft, ihre Bewahrung vor dem trivialisierenden Zugriff der Politik, so links die Rückverwandlung von jeglichem Jenseits ins gesellschaftliche Diesseits, des Transzendenten in die Immanenz. Das ist sowohl eine prinzipielle als auch eine akribische Aufgabe. Sie umfasst nicht nur eine ideologiekritische Auflösung der metaphysischen Reste in einer vermeintlich aufgeklärten Diskussion, sondern umgekehrt auch eine Vertiefung des Begriffs der Ökonomie, so dass sich das Ganze der Gesellschaft darin erkennen lässt.