Die Bürger von Salzburg

von Dieter Braeg

Dies ist eine wahre Geschichte aus nichtunseren Tagen, die wieder zeigt, dass auch der Krug so lange zum Brunnen findet, bis er tröpfelt. Die Herrschenden von ÜberALL&Nirgendwo hatten wohl kaum an die Folgen gedacht, die entstehen würden, als Hunderte Staatsbürgerschafts-Urkunden an Ausländer verkauft wurden.

Salzburg. Hier gibt es die Wahrheit im ersten Satz. Jeder ist „Ein Heim Ischer“ und lässt kritische Worte nicht zu. Neben dem Gruß „Olasisschee“ verabschiedet man sich mit „Goschn hoidn“. Das freut den Erzbischof und den Landeshauptmann von Salzburg, die manchmal ein und dieselbe Person sind, ganz besonders. Sonst ist alles so wie überall. Der Salzburger heißt „Stierwascher“ und im mundartlichen Gebrauch gibt es keine „Stierwascherin“ und er ärgert sich darüber, weil er heute nur noch Autos waschen darf und so schlecht bezahlt wird, dass es schon lange nicht mehr zur Geldwäsche reicht. Manchmal beneidet er die ZellamSeebewohner, weil die in ihrem Bergsee alle ihre politischen und anderen Leichen versenken konnten und können und dazu noch alle Bustouristen, die viel zu wenig Umsatz bringen. Die Salzburger mit ihrem Leopoldskroner Weiher haben es da viel schwerer, wenn sie zu geringen Mozartkugelumsatz streng bestrafen wollen. Da passen kaum zwei ausgewachsene Busse mit schweizerischem, italienischem oder gar osteuropäischem Inhalt hinein! Noch dazu sind in Salzburg die Busparkplätze viele Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Das versetzt die sowieso schon recht kaufunlustigen Touristen keinesfalls in einen Kaufrausch. So verstopfen sie nur die Getreidegasse und sorgen für den größten Fußgängerzonenstau der Welt, den man, leider ganz ohne Eintritt zu zahlen, von Mai bis Oktober, wenn es keinen Virus gibt, besichtigen kann. Nur der Bosnawürstelstandbesitzer in der Getreidegasse freut sich, weil er als Einziger den Geschmack der Billigbustouristen trifft.

Die Geschäftstüchtigkeit und der materielle Sinn dieser an Festspielen, Mozartkugeln und Salzburger Nockerln bieder gewordenen SalzburgerBürgerinnenBürger hat ihnen schon oft unangenehme Folgen – gebracht. Sie dachten, Wunder wie schlau sie seien und was das Euros bringen würde. So konnte also jeder, der einen tüchtigen Batzen Geld dafür ausgab, und selbst wenn er auf dem Mars Kräutersaiblinge züchtete, BürgerinBürger von Salzburg werden.

Tatsächlich, mehr als zu den lange zurückliegenden katholischen Ablassgeschäften mehrte sich das Geld in der Stadtkasse, die PKWfreundlichkeit der Stadt war schon durch kostspieligste Baumaßnahmen umgesetzt und man wusste schon gar nicht mehr, wohin mit den vielen €ros.

Gewiss waren damals schon im Gemeinderat einige Miesmacher, etwa die SpaßdemokratischeParteiÖsterreichs, die zu bedenken gab: Was aber geschieht, wenn diese Bürger – plötzlich arm würden und der Gemeinde zur Last fielen? – „I wo“, schrien die meisten, „wir verkaufen eben das Bürgerrecht nur an die ganz Reichen, unter 50 000 € überhaupt nicht.“

Und Salzburg bekam so viel Geld, dass es von allen anderen Bundesländern – sehr beneidet und angefeindet wurde, vor allem vom Vizekanzler Werner Kogler, der weder sich noch anderen etwas gönnt!

Nur hie und da raste ein flotter Verbrennerwagen die prächtige Getreidegasse, endlich befreit von Touristenmassen, hin&her, fuhr weiter zum Mirabellplatz, um dort vor dem schönen, alten, bogengeschmückten Schloss vom Herrn Bürgermeister oder Landeshauptmann einen Parkplatz zugewiesen zu bekommen, samt Händedruck. Der Motor CO2rasselte, die Hupe hupte und der neue Bürger von Salzburg verschwand auf Nimmerwiedersehen im StadtLandesarchiv, um dort unter der Rubrik „erledigtsichvonselbst“ ein fröhliches Niewiederfinden zu feiern!

Die SalzburgerinSalzburger lachten sich ins Fäustchen, erstens über ihre Schlauheit und zweitens über den hereinbrechenden Geldsegen.

So ging dies ein paar Jahre; man verkaufte flott und teuer Bürgerrechte, aber hatte dafür nicht das Geringste zu geben als ein Blättchen Papier.

Eines Abends nun rückte am Markartplatz ein verlottertes Wägelchen an, mit Mann, Frau und acht Kindern – alles waschechte Zigeuner. Sie sammelten am Salzachufer Schwemmholz, machten sich ein Feuer, brieten ein paar Hühnchen, die sie ganz, ganz bestimmt auf dem Schrannenmarkt gekauft hatten. Die BürgerinnenBürger waren so erstaunt, dass sie lediglich nur vor lauter Entsetzen momentan gar nichts unternehmen konnten. Selbst die sonst nicht mundfaulen Lokalzeitungen blieben stumm. So was hatte es noch nie gegeben. In diesem soliden, höchst anständigen, die Bürgerinnenbürgerrechte ehrenden Städtchen und noch dazu mitten am Marktplatz so ein Gesindel. Na, einen Tag wollte man noch ein Auge zudrücken, – „mir san jo net aso“, aber dann hinaus mit dieser die Eigentumsrechte verhöhnenden Bande.

Es vergingen ein paar Tage und es geschah nichts, nur Hühner, Gänse, Töpfe, Teppiche nebst einem Schwein aus Salzburg verschwanden spurlos.

Und so setzte sich nun also die überaus überlastete Polizei von Salzburg in Bewegung und forderte den Herrn Zigeuner auf, möglichst sofort mit seiner werten Familie das schöne Stadtbild nicht mehr länger zu verschandeln und die feine, durch die Festung Hohensalzburg veredelte Luft zu atmen.

Der Zigeuner schüttelte sein edles Haupt, die Polizei redete, schimpfte – der Zigeuner schüttelte bloß Kopf&Glieder, es vergingen Stunden mit Schimpfen und Schütteln, bis es der der demokratischen Verfassung dienenden tapferen Polizei zu dumm wurde und sie mit der Polizeidirektion telefonierte. Mit deren Hilfe wollte man vereint diesen elenden Fremdling samt Anhang schon hinausabschiebbefördern.

So stand also die ganze Stadt um den zigeunerlichen Palast, die Polizisten wollten eben selbst den Wagen aus der Stadt befördern, als der Zigeuner ein Blättchen Papier aus seiner rückwärtigen Hosentasche förderte und mit tränentrauriger Stimme heulte: „Schämt euch, so behandelt ihr einen Bürger eurer Stadt, nach der ich mich von ganzem Herzen gesehnt habe. Unter Mühen, einigen Beschwerden und harter Not komme ich zu euch, voll Liebe zu meiner Vaterstadt. Bevor ich sterbe, wollte ich noch meine Heimat sehen und meine geliebten MitbürgerinnenBürger kennenlernen und den Kommunalfriedhof besichtigen und im Gasthaus Hölle ein Krügerl Augustinerbier trinken. Aus weiter Ferne komme ich zu euch, und ihr? Wie einen räudigen Hund behandelt ihr mich!“

Man schäumte vor Wut über die eigene Dummheit.

Was blieb auch übrig, um den elenden Kerl wieder loszukriegen? Einzig und allein, ihm das Bürgerrecht wieder abzukaufen. Und die heimattreue Opposition, die „UnsaraLeutHeimatpartei“ jubelten, sie hatten es ja gewusst, dass es so kommen würde.

Aber der schwarze Zigeuner schüttelte weiter den Kopf: ob man ihn für so charakterlos halte, dass er seine Heimat verkaufe. Nein! Hier gedenke er, seine alten Tage zu beenden im Kreise seiner lieben MitbürgerinnenBürger …

Salzburgs BürgerinnenBürgertum war verzweifelt.

Und bot ihm sogar das Doppelte des Bürgerrechtsverkaufspreises, als auch das nicht zog, bat man ihn händeringend, doch das Zehnfache allergnädigst annehmen zu wollen.

Nur mit Tränen in den Augen entschloss sich der Zigeuner. „Aber“, seufzte er, „mir blutet das Herz, meine geliebte Heimat wieder verlassen zu müssen.“

So kam es, dass die SalzburgerinnenSalzburger einen ihrer anhänglichsten Bürger verloren, schweren Herzens zwar, weil sie so viel zahlen mussten, aber doch frohen Sinnes, dass sie ihn endlich losgeworden. Der Name? Jedermann!

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