von Maria Wölflingseder
Leopoldine Evelyne Kwas: Ich bin das Volk. edition a, Wien 2017, 139 Seiten, ca. 20 Euro
Eine Rarität! Leopoldine Evelyne Kwas macht nicht das, was die allermeisten in ihrer Lage machen: sich zu verstecken und sich ihrer Armut zu schämen. Sie macht sich Luft! Sie schildert auf sehr plastische Weise die Erlebnisse als Fünfzigjährige mit dem Arbeitsamt, bei der Arbeitssuche und im Alltag mit immer weniger Geld. Sie gibt auch ihren Mitmenschen eine Stimme, denen es oft noch schlechter ergeht angesichts von Armut, Krankheit und Verzweiflung. Sie schreibt darüber, „wie wir hier in unserer Perspektivenlosigkeit ersaufen“.
Kwas ist eine von den mindestens 18 Prozent der Österreicher, die an oder unter der Armutsgrenze leben. Sie hat bis zur Kündigung als Filialleiterin im Handel gearbeitet. Besonders eindringlich beschreibt sie auch die massiven Verschlechterungen von Handelsangestellten nach der Einführung der „12-Stunden-Regelung“. Für Filialleiterinnen bedeutet das nun einen 13- bis 14-Stundentag.
Kwas hat den Spieß umgedreht: Die unerträglichen Reden der Politiker und Politikerinnen an das Wahlvolk konterkariert sie ihrerseits mit ihrer Rede an ebendiese. So notwendig das Aufzeigen all dieser durchgeknallten Widersprüche ist, die uns Tag für Tag fragen lassen, in welcher Welt wir eigentlich leben, so kurz greifen Kwas’ Forderungen an die Politik, Arbeitsplätze zu schaffen oder das Nachtrauern der Zeiten mit hoher Konjunktur. Angesichts der hohen Produktivität ist es einfach unmöglich geworden, alle Menschen in das Arbeitssystem zu pressen. Das Auskommen kann und darf deshalb nicht mehr an ein Lohneinkommen gebunden sein.