Die anstehenden Wahlen in Österreich werden sich durchaus als Festspiele des Populismus erweisen. Doch ist mit dieser Formel überhaupt noch etwas zu begreifen?
von Franz Schandl
Sebastian Kurz drückt auf die Tube. Keine Woche vergeht, wo er nicht irgendetwas ausheckt. Frech sein siegt. Den Auftakt machte die Forderung, die Flüchtlingsroute über das Mittelmeer zu schließen. Der zuständige EU Migrationsminister Dimitris Avramopulos winkte zwar ab und auch Sigmar Gabriel konnte diesem Vorschlag des österreichischen Amtskollegen nichts abgewinnen. Der deutsche Außenminister verwies wohl zurecht darauf, dass es etwa in Libyen überhaupt keine Sicherheit für die Flüchtlinge gebe. Trotzdem findet dieser juvenile Übermut immer mehr Bewunderer, sogar mehrere europäische Zeitungen brachten den konservativen Jungspund am Cover. Gar lobend, ja jubelnd wird über ihn berichtet, sodass man meinen könnte, die Europäer seien auch nur Austrianer.
Die Sache ist noch schlimmer. Selbst wenn der sozialdemokratische Kanzler Christian Kern Kurzens Forderung als „Produktion von Schlagzeilen“ und als „populistischen Vollholler“ bezeichnete, sollte nicht vergessen werden, dass sich Kanzler und Außenminister im Ziel einig sind. Der SP-Vorsitzende erlaubt sich nur auf die Schwierigkeiten einer Schließung hinzuweisen: hohe Kosten, Terrorgefahr, Destabilisierung Nordafrikas. Aber auch Kern befürwortet Asylzentren, also Anhaltelager in Nordafrika. Die Differenz ist nicht groß.
Doch Kurz ist mittlerweile schon einen Schritt weiter, nun möchte er die islamischen Kindergärten (nicht nur die islamistischen!) zusperren als auch unbotmäßigen afrikanischen Ländern den Geldhahn zudrehen. Spuren müssen sie schon, wenn nicht, streichen wir ihnen die Entwicklungshilfe. Angesichts der mageren 77 Millionen Euro jährlich, meinte Kern, sei damit niemand zu beeindrucken. Auch das stimmt, aber weiß der Kanzler nun wieder, dass er mit solch einer Aussage diese Zurückhaltung im Grunde gutheißt. Es ist schon interessant wie sich der Diskurs gewandelt hat. Kritisierte man gestern die beschämende Knausrigkeit, so ist es inzwischen obligat geworden, auf Kürzungen zu insistieren ohne dafür ins Teufels Küche zu kommen. Die freiheitlichen Dispositive haben mehr gegriffen als man meint.
Ob Kurzens Pläne realistisch sind oder nicht, ist für den österreichischen Wahlkampf völlig unerheblich, was zählt sind Absicht und Ansage. Und da liegt Kurz im Trend der öffentlichen Meinung. Bei dem zweifellos populistischen Wettbewerb hat sein Gegenspieler Kern schlechte Karten, denn sein Publikum lässt ihm weniger durchgehen als Kurz das seine. Da hat einer Blut geleckt und will das Spiel „Wer ist der bessere Freiheitliche?“ bis zur Wahl im Oktober wohl durchziehen. Die Initiative ist auf seiner Seite. Er beherrscht eine Politik des primitiven aber klaren Kalküls.
Grassieren wird in den nächsten Wochen freilich der gegenseitige Populismus-Vorwurf. Das macht Mode und hat Schule. Exponenten wie Kern und Kurz, Strache und Pilz kommen da einmal unter dem gleichen Label daher, ob sie wollen oder nicht. Das populistische Spiel, das zusehends auch ein Spiel mit dem Populismus wird, wird uns weniger unterhalten als nerven, vor allem aber zusehends verblöden. Nicht nur Staaten und Firmen können zusammenbrechen, auch Begriffe können scheitern. Failed terms ist zwar noch kein geflügelter Begriff, aber das kann schon noch werden. In einer Zeit, wo sämtliche Politik zum Populismus tendiert, ist die ständige Bezichtigung allerdings mehr irreführend als zielführend.