Katastrophisch desorganisierend?

Zur Subversivität des Lachens

Streifzüge 69/2017

von Uwe von Bescherer

 

Wir sind uns wahrscheinlich alle einig, dass das gemeinsame herzhafte Lachen im Kreise unserer Freunde zum Schönsten gehört, was das Leben zu bieten hat. Charles Baudelaire schrieb über das Lachen: „Es ist die Lust zu empfangen, die Lust zu atmen, die Lust sich zu öffnen, die Lust zu betrachten, zu leben, zu wachsen.“ Zur Grundausstattung menschlicher Äußerungsformen gehörend ist das Lachen originärer Ausdruck von Lebensfreude.

Physiologie des Lachens

Was geschieht eigentlich beim Lachen? Der Volksmund weiß es schon lange: „Lachen ist die beste Medizin.“ Beim Lachen schüttet unser Körper schmerzstillende und entzündungshemmende Stoffe aus, der Cholesterinspiegel, der Blutdruck und die Blutfettwerte werden gesenkt, der Ausstoß von Stresshormonen wird verringert, der Herzschlag verlangsamt und die Muskulatur entkrampft. Das Lachen stärkt unsere Abwehrkräfte und unser Immunsystem, der ganze Körper wird mit mehr Sauerstoff durchströmt. Wir fühlen uns augenblicklich vitaler.

Als reflexartige, unwillkürliche Körperreaktion auf eine Stimulation bringt das Lachen vom Kopf bis zum Bauch rund 300 Muskeln in Bewegung, allein 17 sorgen dafür, dass die Gesichtszüge entgleisen. Durch das muskuläre Spiel von Anspannung und Entspannung wird das Zwerchfell zu einem als vergnüglich empfundenen Mitschwingen provoziert. Die Lunge stößt infolgedessen in schnell aufeinander folgenden Momenten ruckartig die Luft aus, was die für das Lachen typischen Geräusche erzeugt.

Die Konsequenz aus einer rein physiologischen Betrachtung des Lachens und seiner Wirkung zog der indische Arzt Madan Kataria, der 1998 Yoga und Lachen kombinierte und das grundlose Lachen als Heilmittel gegen fast alle Leiden dieser Zeit pries. Seitdem schießen Lach-Therapeuten, Seminare und Gruppen dieser Couleur wie Pilze aus dem Boden.

Lachen, Gänsehaut und Erröten

Der Lachyoga-Erfinder stellt sich mit seinem Angebot einer suchenden Nachfrage. Laut entsprechender Studien wurde in den 50er Jahren in Deutschland rund dreimal so viel gelacht wie 2011, und es ist zu befürchten, dass die Zahl der Lacher bis heute weiterhin abgenommen hat. Zur Verstümmelung der Lebensfreude leisten das Ausbrennen der Wertlogik und die strenger werdende Herrschaft des ÜberLebens keinen geringen Beitrag. Im Ranking der Interessen und Themenvorlieben gesellschaftskritischer Kreise rangiert das Lachen allerdings trotzdem irgendwo zwischen den Plätzen Gänsehaut und Erröten. Aber was für einen Stellenwert sollte der physiologische Reflex des Lachens in den gedanklichen Reflexionen eines zur gesellschaftlichen Veränderung entschlossenen Geistes auch haben?

Betrug am Glück

Fun ist ein Stahlbad“, so wetterte Adorno 1944 in der Dialektik der Aufklärung. Diesen Satz, der zu vielen interessanten Assoziationen einlädt, richtete er gegen die Kulturindustrie. Seinen Ausführungen nach geht diese über das Lachen hinweg wie über alle anderen natürlichen Eigenschaften, indem sie sie an Entfremdung, Leistung, Konsum und Warenabstraktion bindet. Das Lachen wird ausgenutzt als eine leicht verführbare menschliche Eigenschaft, als eine leicht erregbare, positiv empfundene Lustigkeit. Sie dient nicht nur zur Ablenkung von den auferlegten Lebensbedingungen, sondern als Einfallstor, um die Realität, wie sie ist, schmackhaft zu machen, bis sie schließlich ein „schmatzend einverstandenes Behagen“ verursacht. Ein Stahlbad ist etwas, um Stahl zu härten. Gehärtet wird durch das von der Kulturindustrie ausgenutzte Lachen der Konsumenten deren Konditionierung auf die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Kulturindustrie übernimmt damit methodisch die Goebbelsche Vorstellung, wofür das Lachen im gesellschaftlichen Maßstab denn gut sein könnte: „Wir gebrauchen zum Kriegführen ein Volk, das sich seine gute Laune bewahrt.“ Das „negative“ Lachen trägt laut Adorno aber auch das entgegengesetzte Element in sich. Leider führte er diesen Gedanken des „versöhnenden“ Lachens mit seinen Momenten von Befreiung und Selbstreflexion nicht weiter aus.

Puddingwerfen für den Umsturz

Von einer ganz anderen Seite näherte sich ein anderes zeitgeschichtliches Phänomen dem Lachen. Gemeint ist die deutsche sogenannte 68er-Bewegung mit ihren vielen verschiedenartigen Facetten – den hiesigen Hippies, der antiautoritären Bewegung, der Kommune 1, der APO, der „subversiven Aktion“, den „umherschweifenden Haschrebellen“ und vielen anderen weniger berühmten. Ihnen gemeinsam ist der entschiedene Protest gegen die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, der getragen wurde von einer Leichtigkeit des Daseins als Folge des deutschen „Wirtschaftswunders“. Damit verknüpft war nämlich der allgemein unproblematische Zugang zu verhandelbaren Arbeitsplätzen zur Sicherung individueller Lebensgestaltung. Die Protestkultur der damaligen Zeit kritisierte die nicht unerheblichen Restbestände des Faschismus im BRD-Staat – in seiner Wirtschaft, seiner Verwaltung und der Bürgermentalität –, und war auf der Suche nach dem „Anderen“ der Wirtschaftswundergesellschaft. Ihre „Lebensstil-Revolte“ war geprägt von gemeinsamem Lachen, Spaß und aufsässigem Humor, häufig gepaart mit dem Parodistischen, Performativen (okay, die APO ausgenommen, soweit sie vom SDS vertreten wurde).

Ein Beispiel für die Spaßaffinität der sogenannten 68er-Bewegung? Ihren ersten großen medialen Erfolg erzielte die Berliner Kommune 1 im Jahr 1967 mit ihrem Versuch, den damaligen US-Außenminister Humphrey mit Schlagsahne- und Puddingbeuteln zu bewerfen. Das professionelle Lächeln des Politikers, sein teurer Anzug und die korrekte Frisur als Zeichen seiner staatlichen Würde sollten angegriffen, seine Autorität ins Lachhafte gezogen und seine Anerkennung symbolisch verweigert werden. Leider wurden die Kommunarden schon im Vorfeld der Aktion festgenommen. Die Berliner Presse machte daraus trotzdem ein „Attentat“ auf den US-Vizepräsidenten und behauptete, dass der „Sprengstoff“ für die „Bomben“ aus Peking angeliefert wurde. Die Zielsetzung der Kommune 1 verwirklichte sich so auf geniale Weise: „Die Lacher müssten auf unserer Seite sein“ – und das Gelächter war bis weit ins bürgerliche Lager hinein zu hören.

Der Spaß mit derlei Protestaktionen diente aber nicht nur der einfachen Belustigung. Hinter dem vordergründigen Spaß stand die bewusst verfolgte Absicht, die herrschenden Verhältnisse durch Lachen und Verwirrung ins Wanken zu bringen. Die Wurzeln dieser außergewöhnlichen Protestform lassen sich bis zu der Gruppe „Situationistische Internationale“ (SI) in die 50er Jahre zurückverfolgen. Die experimentelle Praxis des situationistischen Kampfs gegen die „Gesellschaft des Spektakels“ umfasste das ziellose, traumwandlerische „Umherschweifen“ in urbanem Umfeld und die „Zweckentfremdung“, der jedes vorgefundene Material dieses gesellschaftlichen Desasters recht war, um es verdreht und mit unerwarteten Botschaften munitioniert zurückzuspucken.

Mit diesen Methoden sollten die Menschen Neues entdecken, Vertrautes als fremd wahrnehmen und so ihrer eigenen Entfremdung gewahr werden. Auf einer solchen Basis könnten sich – so hoffte die SI – schließlich neue Verhaltensweisen, neue „Begierden und Leidenschaften“ entwickeln, die dem „schrecklichen Gegensatz zwischen möglichen Konstruktionen des Lebens und dem gegenwärtigen Elend“ ein Ende setzen und die alltägliche Lebenswelt radikal umgestalten. Eine ganz neue „subversive“ Aktionsform war geboren, die sich in der bewussten Absicht, die bestehende Ordnung zu untergraben und zu überwinden, schwer einzuschätzender und von der Obrigkeit schlecht zu regulierender Mittel bediente. Hier endet aber auch die Herleitung des Puddingattentats aus den von der SI entwickelten Aktionsformen. Spaß, Witz, Lachen und Humor wurden damals auch von Raoul Vaneigem thematisch nicht fokussiert.

Ein Weg wird erst dann ein Weg, wenn einer ihn geht (Chang Tzu)

Für ein Verständnis des Puddingattentats kommen wir an der Gruppe Spur, der deutschen Sektion der SI, nicht herum. Während sich die französischen Situationisten um Guy Debord noch von ihrer Art der Marx-Interpretation und ihrer Vision der kollektiven Beherrschung der Welt begeistern ließen, hielt die Gruppe Spur eine radikale Veränderung der Gesellschaftsform „nur durch die Erneuerung des Individualismus, nicht durch das kollektive Denken“ für möglich. Wirksame Schützenhilfe erhielt sie in dieser Überzeugung von dem Philosophen Herbert Marcuse, der sich für eine Neubestimmung des „subjektiven Faktors“ stark machte: „Eine der Aufgaben ist es, den Menschentypus freizulegen, der die Revolution will, der die Revolution haben muss, weil er sonst zusammenbricht: das ist der subjektive Faktor…“ Es sei geboten, „jede Möglichkeit eines Risses aufzuspüren in der ungeheuer konzentrierten Machtstruktur der bestehenden Gesellschaft“.

Unter dem Motto „Gaudi ist Macht“ sah die Gruppe Spur im Lachen eine Möglichkeit, die Fesseln der vorgegebenen Art von Gesellschaftlichkeit zu zerreißen, blieb bei ihren Ausführungen aber deutlich hinter dem argumentativen Niveau des situationistischen Gedankenguts zurück. Für sie waren alle „herrschenden Systeme und Konventionen“ nichts als „missratener Gaudi“, ebenso sei eine Revolution ohne Gaudi keine Revolution. „Wir fordern allen Ernstes die Gaudi. Wir fordern die urbanistische Gaudi, die unitäre, totale, reale, imaginäre, sexuelle, irrationale, integrale, militärische, politische, psychologische, philosophische … Gaudi.“

Die Berliner Kommune 1 setzte den Ansatz der Gruppe Spur praktisch um und verkündete das Konzept der „Spaßguerilla“. Die neue Form politischen Eingreifens sollte Lust auf ein Denken in politischen Zusammenhängen machen. Gewollt war der „lachende“ Bruch mit den überkommenen alltäglichen Lebensformen, um neue Freiräume für Phantasien, Lust, Fröhlichkeit und Liebe, Reflexion und Widerstand zu eröffnen.

„…manche wollen einen utopischen Unsinn, manche eine ordentliche Hölle, manche ein paradiesisches Chaos, wer aber hat recht? Die Spaßguerilla, die Unsinn vorspielt, um Sinn zu ernten. Was wir brauchen, ist politischer Humor. Und ein humoristischer Klassenkrieg, wo wir den Feind, die menschliche Dummheit, überwinden können ohne Blutvergießen. Wir brauchen eine gewaltige Kriegslist, größer als die des Odysseus vor Troja. Wenn das Leben Spaß machen soll, müssen wir mehr Spaß machen.“

Das Vorhaben, den Unsinn des Bestehenden bloßzulegen, um den Sinn zu ernten, beherrschte der Kommunarde Fritz Teufel meisterlich nicht nur als einer der Pudding-Attentäter, sondern vor allem vor Gericht. Teufels Umgang mit der Justiz wurde ihm oft als „Unverschämtheit“ ausgelegt und entsprechend oft mit Ordnungsstrafen geahndet. Als man ihm bei richterlicher Gelegenheit schließlich einen psychiatrischen Gutachter auf den Hals hetzen wollte, konterte er mit der Frage, ob nicht vielmehr „das krankhafte Verhängen von Ordnungsstrafen“ psychiatrietauglich sei. Die entblößende Antwort des Richters: zwei Tage Ordnungshaft gegen Teufel. Als Teufel an anderer Stelle aufgefordert wurde, sich zu einer der vielen Urteilsverkündungen gegen ihn zu erheben, sagte er grinsend: „Wenn’s der Wahrheitsfindung dient…“ Dieser Satz ist legendär, weil er den geistlosen, autoritären Formalismus der Justiz präzise auf den Punkt bringt.

Bei ihrem Versuch, durch Perspektivenwechsel zu verunsichern und psychisch-emotionale Verkrustungen in Frage zu stellen und aufzuweichen, machten die Kommunarden auch vor linken Ansichten und Konventionen nicht halt. Arbeiter verlachte die Kommune 1 als „Blödmänner mit ihren Kühlschränken“ und Kunzelmann erheiterte medial mit der Äußerung: „Was geht mich der Vietnamkrieg an, solange ich Orgasmusschwierigkeiten habe.“ Die letzte mir bekannte subversive Aktion aus dem Kreis der Spaßguerilla-Kommunarden – eine Art letztes „Happening“ mit ungebrochen großer Presseresonanz – ereignete sich in der Weihnachtszeit 1995, als Reiner Kunzelmann sich vor Gericht den Anschuldigungen des damals in Berlin regierenden Bürgermeisters Diepgen stellen musste. Während der Verhandlung holte Kunzelmann ein Ei aus seiner Jacke und klatschte es mit den Worten „Frohe Ostern, du Weihnachtsmann!“ auf den Kopf des Bürgermeisters.

Die Presse berichtete gerne über die „Politclowns“ der Kommune 1, da mit jedem Lacher ihre Auflagenzahl in die Höhe schnellte. Während Adorno mit seiner These „Fun ist ein Stahlbad“ darauf hinwies, dass die Kulturindustrie Spaß und Lachen als bewussten Hebel einsetzt, um den Leuten diese Welt als lebens- und verteidigenswert zu implantieren, wendete die Spaßguerilla Adornos These von innen nach außen. Ihre subversiven Aktionen zielten auf eine Art von Spaß und Lachen, die das alltäglich gelebte Selbstverständliche der bestehenden Gesellschaftsordnung provokant und medienwirksam in Frage stellen soll und zu Widerstand und Umsturz animiert. Adorno setzten die Spaßguerilleros so gesehen die These „Lachen ist ein Weichspüler“ entgegen.

Lieber Gras rauchen als Heuschnupfen

Wer von der 68er-Bewegung und der damaligen Leichtigkeit des Daseins spricht, darf über den in dieser Zeit verbreiteten Gebrauch von Cannabis – verbreitet auch bei den politisch Aktiven – nicht schweigen. Haschisch und Marihuana schienen dem Zeitgeist der Jugendbewegung kongenial zu entsprechen. Häufig ist der Cannabis-Rausch von euphorischen Gefühlen gekennzeichnet, das Gemeinschaftserleben unter Freunden wird intensiviert und die Lachhäufigkeit deutlich erhöht. Die üblichen Denkmuster treten zurück und überlassen bunten Assoziationen und glücklichem Unsinn das Feld (sogenannte Bewusstseinserweiterung). Wer bei dieser Aufzählung positiver Seiten des Cannabis-Genusses Parallelen sieht zu Konzeption und Aktion der Spaßguerilla, liegt sicher nicht ganz verkehrt.

Mit der Auflösung der Kommune 1 zerfiel auch das Konzept der Spaßguerilla samt der Idee des subversiven Lachens. Nachfolgegruppierungen wie „Subversive Aktion“ und „Umherschweifende Haschrebellen“, die sich schnell der radikalen Militanz verschrieben, zeigen nachhaltig, dass das bloße Rauchen von Haschisch keine Garantie für die Produktion neuer und guter Ideen mit gesellschaftstranszendierender Intention ist. Mit Parolen wie „Mit dem Joint in der Hand Revolution im ganzen Land“ und „High sein, frei sein, Terror darf dabei sein!“ liefen diese Gruppen bedauerlicher Weise ins Verhängnis der „Bewegung 2. Juni“ und der RAF.

Das Ende der 68er-Bewegung überließ all ihre verwertbaren Attribute der Konsumgüterindustrie und wurde so aktiver Teil des gesellschaftlichen „Spektakels“. Die Zeiger der Zeit stellten sich wieder auf „Fun ist ein Stahlbad“.

And now for something completely different (Monty Python)

Gibt es das überhaupt: subversives Lachen? Oder handelt es sich dabei nur um gewagte Assoziationen einiger bekiffter Berliner Jugendlicher zu den experimentellen Praxisansätzen der SI? Die Literatur bietet wenig Erhellendes, schon gar keine fundierten Untersuchungen. Einer wissenschaftlichen Herangehensweise erschließt sich wohl nur die Physiologie des Lachens. Darüber hinaus entzieht sich das Lachen durch seine Vielfältigkeit anscheinend jeder professionellen Herangehensweise. Wir lachen froh, zufrieden, offen, hinterhältig, höhnisch, bitter, dumm, freundlich, liebevoll, überlegen, geheimnisvoll usw. Man lacht sich unter den Tisch oder platzt vor Lachen, lacht sich kringelig und scheckig, lacht sich kaputt oder macht sich vor Lachen gar in die Hose. Vielleicht gibt es so viele Arten von Lachen wie Muster der Lachproduktion und Typen der humorvollen Interaktion. Sie alle auf das Potential ihrer Subversivität hin untersuchen zu wollen, würde in der Tat jeden Rahmen sprengen. Die wenigen Ausführungen zum Thema „Subversives Lachen“, die ich auf meiner literarischen Erkundungsreise fand, lassen sich – angelehnt an die Darstellung des Lachvorgangs durch den Anthropologen Helmut Plessner – komprimiert etwa so zusammenfassen:

Nach Ansicht von Plessner wird der vom Lachen überwältigte Mensch katastrophisch desorganisiert. Der Geist als den Körper besetzendes und instrumentalisierendes Subjekt verliert beim Lachen seine Selbstbeherrschung und entgleitet in seinen Körper, überlässt den Körper sich selbst. Überwältigt durch einen „anonymen Automatismus“ lacht der Mensch somit eigentlich nicht selbst, „es lacht in ihm, und er ist gewissermaßen nur Schauplatz und Gefäß für diesen Vorgang“. Plessners Beschreibung erweckt den Eindruck, als ob das Lachen ein Daimon im Getriebe des instrumentalisierten Körpers wäre und nichts bewirkt als sich selbst. Stimulanz und Wirkung des Lachens interessieren dabei nicht.

Das Bild, das Plessner vom Lachvorgang entwirft, lässt sich weiterentwickeln. Der Geist, der durch das Lachen hinweggefegt wird und sich dem Körper fügen muss, ist die psychische Repräsentanz für bestehende Normen, Ordnungen und den daraus abgeleiteten Standpunkten. Durch das Lachen entzieht sich der Mensch dem Diktat der Vernunft, der dominanten Wirklichkeit des Alltagslebens und der Tyrannei des Realitätsprinzips. Er statuiert dabei eine andere Realität, ein spezielles Terrain der Freiheit, eine Insel im Ozean der Alltagserfahrung, einen widerspenstigen Hintergrund der Fassade des „Spektakels“. Von diesen Orten aus wird die Welt des Normalen verlacht. Sie ist nun nicht länger die Welt, sondern nur noch eine Welt, und dazu eine lächerliche. An diesen Orten ist nichts heilig – der Subversion sind die Türen geöffnet.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Das Konzept der Stadtguerilla, einen „humoristischen Klassenkrieg ohne Blutvergießen“ zu entfachen, war zweifelsohne sympathisch und wird durch die oben konturierte Argumentationslinie befeuert. Plessners Beschreibung des Lachvorgangs erweist sich im argumentativen Gegenwind aber als fragil. Warum kann der menschliche Geist, der vom Lachen angeblich hinweggefegt wird, jederzeit erklären, was das Lachen hervorgerufen hat? Kann es nicht genauso gut sein, dass die kulturhistorische Spaltung von Geist und Körper im Lachen wieder zu einer ursprünglich-friedfertigen Symbiose zurückfindet? Wenn sich der menschliche Geist aber durch den Lachvorgang nicht katastrophisch auflöst, sondern ihn entspannt begleitet, spricht auch nichts dagegen, dass die Subversivität nicht im Vorgang des Lachens, sondern schon im Voraus im Gedankengut des Lachenden zu finden ist. Die Berichterstattung über die subversive Aktion des Berliner Puddingattentats der Kommune 1 stimuliert so gesehen nichts anderes als die mit der Aktion kompatiblen subversiven Geisteszonen des Zeitungslesers, der darüber in ein solidarisches Gelächter ausbricht. Das war es dann aber auch schon – zu etwas weiterem wird er nicht animiert. Das Lachen hat in diesem Gegenmodell die Signatur des Transzendenten verloren, ist keine Überschreitung mehr und es zeigt sich nichts Anderes. Von der Subversivität übrig bleibt die distanzierende Wirkung, die der Lacher gegenüber dem Verlachten aufbaut. Sie allein reichte aus, um die Obrigkeit gegen das im Mittelalter um sich greifende Gelächter des Volkes vorgehen zu lassen (Gott und Kirche dulden keine Distanziertheit der Gläubigen), und es zeitlich als „Karneval“ einzugrenzen.

Begleitet wurde der sicher vermessene Versuch der Berliner Kommunarden, aus dem Lachen eine Speerspitze gesellschaftsumstürzlerischer Praxis zu machen, von der Forderung nach einem allgemeinen Mehr an offenem, entspanntem Humor. Für diese Forderung gibt es bis heute gute Gründe: der Mensch lacht gern – und fast alles Lachen ist gemeinsames Lachen, es „steckt an“. Humor wirkt „sozio-positiv“, indem er den Zusammenhalt einer Gruppe stärkt, einen Raum für Gemeinschaftlichkeit öffnet und Gleichheit zwischen den Lachenden stiftet. Menschen begegnen sich durch gemeinsames Lachen mit mehr Bereitschaft zu Verständnis und Respekt, sind offener zueinander und zugänglicher füreinander. Zur Abrundung des Lachens als Moment der Überwindung zwischenmenschlicher Distanziertheit trägt auch die Fähigkeit bei, über sich selbst lachen zu können. Aus gutmütigem, authentischem Humor, der die Sehnsucht nach einem glücklicheren Leben in sich trägt, könnte so im Gedankenaustausch gerade mit Nicht-Gleichgesinnten doch noch eine Art „Einfallstor“ gebastelt werden – für die Durchsetzung der besseren Argumente natürlich und zur Aufrechterhaltung der Idee der Subversivität des Lachens.

Der Jahrtausende währende Streit um das richtige Verhältnis des Menschen zu seinem Humor und zu seinem Lachen ist bis heute auch in gesellschaftskritischen Kreisen nicht ausgetragen. Die ursprüngliche Konfrontationslinie lässt sich zwischen den konträren Ansichten der altgriechischen Philosophen Platon und Demokrit verorten. Der Denker platonischen Typs lacht bis heute nicht. Es ist ihm alles sehr ernst. Seine gedankliche Strenge und geistige Tiefe vertragen keine lachende Distanz, kein spielerisches Amüsement, keine leichtlebige Heiterkeit. Demokrit dagegen war der Ansicht, dass es dem Menschen am besten bekommt, wenn er sein Leben stets in frohgemuter Gelassenheit zubringt. Von der Weltanschauung Demokrits war wohl auch Friedrich Nietzsche inspiriert, als er die Zeilen schrieb: „Die liebliche Bestie Mensch verliert jedesmal, wie es scheint, die gute Laune, wenn sie gut denkt; sie wird ‚ernst‘. Und ,wo Lachen und Fröhlichkeit ist, da taugt das Denken nichts‘: So lautet das Vorurtheil dieser ernsten Bestie gegen alle ‚fröhliche Wissenschaft‘. – Wohlan! Zeigen wir, dass es ein Vorurtheil ist!“

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