Beispiele

von Immanuel Kant

Warum ist das Spiel (vornehmlich um Geld) so anziehend und wenn es nicht gar zu eigennützig ist, die beste Zerstreuung und Erholung nach einer langen Anstrengung der Gedanken; denn durch Nichtsthun erholt man sich nur langsam? Weil es der Zustand eines unablässig wechselnden Fürchtens und Hoffens ist. Die Abendmahlzeit nach demselben schmeckt und bekommt auch besser. – Wodurch sind Schauspiele (es mögen Trauer = oder Lustspiele sein) so anlockend? Weil in allen gewisse Schwierigkeiten – Ängstlichkeit und Verlegenheit zwischen Hoffnung und Freude – eintreten und so das Spiel einander widriger Affecten beim Schlusse des Stücks dem Zuschauer Beförderung des Lebens ist, indem es ihn innerlich in Motion versetzt hat.

Musik, Tanz und Spiel machen eine sprachlose Gesellschaft aus (denn die wenigen Worte, die zum letzteren nöthig sind, begründen keine Conversation welche wechselseitige Mittheilung der Gedanken fordert). Das Spiel, welches, wie man vorgiebt, nur zur Ausfüllung des Leeren der Conversation nach der Tafel dienen soll, ist doch gemeiniglich die Hauptsache: als Erwerbmittel, wobei Affecten stark bewegt werden, wo eine gewisse Convention des Eigennutzes, einander mit der größten Höflichkeit zu plündern, errichtet und ein völliger Egoism, so lange das Spiel dauert, zum Grundsatze gelegt wird, den keiner verläugnet; von welcher Conversation bei aller Cultur, die sie in feinen Manieren bewirken mag, die Vereinigung des geselligen Wohllebens mit der Tugend und hiemit die wahre Humanität schwerlich sich wahre Beförderung versprechen dürfte.

image_print