von Petra Ziegler
Felix Hasler: Neuromythologie – Eine Streitschrift gegen die
Deutungsmacht der Hirnforschung. transcript Verlag 2012, 260 Seiten, ca. 22,80 Euro
Die „schier unglaubliche Diskrepanz zwischen dem gegenwärtigen Welterklärungsanspruch der Neurowissenschaften und den empirischen Daten“ ist Ausgangspunkt von Felix Haslers Plädoyer für Neuro-Skepsis und kritische Reflexion neurobiologischer Forschungspraxis. „Von der Struktur des Bewusstseins über die neuronale Verortung moralischen Handelns bis hin zur molekularen Grundlage psychischer Störungen. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Neurowissenschaften Kants vierte Frage werden beantworten können: Was ist der Mensch?“ Selbst vom Fach, nimmt der Autor die modernen Neuro-Mythen und ihre mediale Darstellung in den Blick. Er wendet sich gegen biologischen Reduktionismus und verweist auf die Grenzen neurowissenschaftlicher Erkenntnismöglichkeiten. Nicht zuletzt setzt er dabei auf innerdisziplinäre Ansätze, die eine einseitige Betrachtung der Menschen als „isolierte zerebrale Subjekte in einem sozialen Vakuum“ ablehnen.
Ein ausführlicher Abschnitt widmet sich der biologischen Psychiatrie samt rasant ausufernder Verschreibungspraxis von Antidepressiva und den Manipulationen seitens der pharmazeutischen Industrie. Weitere Kapitel beleuchten u.a. Neuroimaging, die Debatte um die „Illusion Willensfreiheit“, Neuro-Doping, Neuro-Forensik oder die „Problemzonen der Lügendetektion“.
Trotz umfangreichen Quellenmaterials und detailreicher Ausführungen leichtfüßig im Stil bietet Felix Haslers Buch weitaus mehr als nur ein hilfreiches Argumentarium gegen grassierende Neuro-Spekulation.