von Lorenz Glatz
Zibechi, Journalist, Publizist und Aktivist aus Uruguay, sieht in den Peripherien der großen Städte eine emanzipatorische Perspektive für Lateinamerika entstehen. Dort bilden für den Kapitalismus überflüssige Menschen seit einem halben Jahrhundert autonome Parallelgesellschaften aus. Eine wichtige Rolle spielen dabei Frauen, vor allem Mütter, die häusliche Logik der Fürsorge und Versorgung auf den öffentlichen Raum des Viertels übertragen.
Die Aufstände, Landbesetzungen und sich entwickelnden Organisations- und Lebensformen sieht Zibechi als Auseinandersetzungen um physische und symbolische Räume und deren autonome Gestaltung an. Autonomie kann nur von „Gesellschaften in Bewegung“ gegen die herrschende Ordnung in einem langen Prozess durchgesetzt, erprobt, verteidigt und zu Emanzipation von Herrschaft ausgestaltet werden.
Zibechi analysiert vorsichtig, spricht viel in Hypothesen, benennt offen Ungeklärtes. Keine Hoffnung setzt er in Staat, Parteien, Kirchen und Gewerkschaften. Die linken Regierungen, die ihre Wahlsiege den „Subalternen“ verdanken, schildert er als Praktikanten einer neuen Gouvernmentalität. Sie könnten in den autonomen Räumen Menschen für eine selektive Sozialpolitik gewinnen und wieder an Staat, Hierarchien und Herrschaftslogik binden. Eine Aktion von oben, der aber auf halbem Weg ein auch in den Köpfen und Herzen der Unterschichten verwurzeltes Denken, Fühlen und Handeln entgegenkommt.
Nichts ist entschieden.