Ein Pirat der besonderen Sorte ist der austrokanadische Multimillionär Frank Stronach
von Franz Schandl
1932 als Franz Strohsack in Kleinsemmering in der Steiermark geboren, wuchs das Arbeiterkind in ärmlichen Verhältnissen auf. 1954 verließ der junge Mann seine Heimat Richtung Kanada. Aus Franz wurde Frank, aus Strohsack wurde Stronach und aus dem Werkzeugmacher wurde ein Milliardär. In den folgenden Jahrzehnten etablierte Stronach einen der führenden Autozulieferbetriebe der Welt. In Deutschland ist er vor allem bekannt geworden, weil es ihm 2009 fast gelungen wäre, Opel dem Magna Imperium einzugliedern.
Egal wie der nun umbenannte Frankie seine Millionen machte, er machte sie, und das verdient, so der Mainstream, Respekt, egal wie denn diese Akkumulation zustande gekommen sein mag. Tüchtige sollten derlei nicht gefragt werden, denn das macht sie gereizt. Außerdem gilt das Geschäftsgeheimnis.
Nun will Frank in die österreichische Politik. Jucken tut es ihn ja schon lange, doch jetzt möchte er sich und dem Land eine Partei schenken, die ganz nach seinem Geschmack agiert. Meinungsumfragen geben ihm zwar nur vier Prozent, aber 30 Prozent halten ihn für wählbar. Ein Einzug in den Nationalrat ist nicht auszuschließen. Namen werden auch bereits gehandelt. Ein paar Kandidaten wird er sicher noch zukaufen können, nicht nur aus dem Reservoir der langsam zerfallenden Haiderpartei BZÖ. Geld ist genug da.
Obligater Sermon
Stronach mag ein Original sein, aber originell an ihm ist gar nichts. Was er erzählt, das sind die aggressiven Kalauer des Marktes: Da fordert einer mehr Leistung und Konkurrenz, verspricht Jobs und unterscheidet kategorisch die Fleißigen von den anderen. Natürlich tritt er für eine Flat Tax ein. Damit ließe sich die eigene Steuerschonung wohl leichter bewerkstelligen. Es ist der obligate Sermon, den er selbstbewusst „revolutionäres Denken“ nennt. Das Rezept ist denkbar einfach: Noch mehr von dem, was wir haben, und alles wird gut.
Stronach redet wie ein unermüdliches Aufziehmännchen des Kapitals. Daneben beherrscht er auch die phrasenhaften Slogans a la „Demokratie stärken“ über „Schuldenfreie Zukunft“ bis hin zum Eintreten für „sozialökonomische Gerechtigkeit“. Auch schier unerträgliche Bekenntnisse finden sich, etwa „Ich habe sehr viel und hart gearbeitet“, als ob das für und nicht gegen einen sprechen würde. Zur Zeit mobilisiert er gegen den „Wahnsinn des ESM“: „Besinnt Euch!“ „Ihr verkauft unser Land“, appelliert er an die Nationalräte: „Das österreichische Volk wird euch das niemals verzeihen.“
Dem System jedenfalls soll es an den Kragen gehen. Unter „System“, ein Wort, das Stronach geradezu inflationär verwendet, versteht er übrigens alles, was ihn in seinen wirtschaftlichen Ambitionen stört: also ein Staat, der auch regulieren und kassieren möchte und nicht nur abkassiert werden will, wogegen ja Stronach bisher nichts hatte. Denn dass die Wirtschaft gefördert werden muss, insbesondere seine, dagegen hatte er nie etwas einzuwenden und griff auch gerne zu. Magna ist nicht zuletzt durch öffentliche Stützungen groß geworden, einige Male sicherte der Staat Überleben und Fortkommen. In der Alpenrepublik wie in Übersee. Stronach ist nur gegen den Staatsdirgismus, wenn er nicht dirigieren darf.
Der Großindustrielle ist nicht politikfern, er ist politikaffin. Stets versucht er sich mit der Politik zu verhabern, das war in Kanada nicht anders als in Österreich. Nicht wenige heimische Ex-Politiker standen oder stehen auf seiner Gehaltsliste oder bevölkern die Aufsichtsräte seiner Firmen. Egal welcher Couleur, ist Stronach an ihnen interessiert, an Ex-Kanzler Vranitzky genau so wie an Ex-Finanzminister Grasser, u.v.m. Was er, der Sohn eines steirischen Kommunisten, dafür partout nicht leiden kann, das sind die Gewerkschaften. Gewerkschaftsbeiträge verglich er schon mal mit „Schutzgeldzahlungen an die Mafia“. Betriebsräte wollte er in seinen Betrieben nicht dulden, er habe ja seine „Fairness-Komitees“. Die österreichische Gesetzeslage versuchte er einfach zu ignorieren. Dafür gibt es ja eine Gewinnbeteiligung, die „fleißige“ Mitarbeiter an die Firma binden soll.
Norbert Mappes-Niediek beschreibt in seiner Biographie „Let’s be Frank“ (2004) diesen patriarchalen Mechanismus als eine „Diktatur der Tüchtigen“, wobei unter tüchtig wohl zu verstehen ist, was sich kommerziell rechnet. Für diese Tüchtigen gilt allemal: Der Staat ist zum Ausnehmen, aber nicht zum Einnehmen da. Was jene begehren, das unterstellen sie freilich den anderen, es zu Unrecht zu bekommen, von den Parteien über die Gewerkschaften bis hin zu den Sozialhilfeempfängern. Im Prinzip sind das lästige Konkurrenten um öffentliche Gelder.
Einen Narren gefressen
Der Boulevard jedenfalls hat einen Narren an ihm gefressen. Zurecht. Die Kronen Zeitung stellt ihm sogar eine ganze Seite in Ihrer Sonntagsausgabe zur Verfügung. „Franks Welt“ heißt diese eigenartige Kolumne, die Stronachs ultimativen Glaubensbekenntnissen zu noch mehr Öffentlichkeit verhilft. Seine mediale Auftritten sind überhaupt wahre Übersteigerungen: er beginnt als Selfmademan, wird im Verlauf immer mader, um dann in einer regelrechten Selfmadness zu enden. Aber das Publikum lacht ihn nicht aus, sondern jubelt ihm zu. Nicht wenige brauchen das. Man denke an einen Hörsaal, voll gestopft mit Wirtschaftsstudenten, die tatsächlich vor einem Jahr Stronach frenetischen Beifall zollten, nachdem er sie „verweichlicht“ und „schlapp“ nannte. Das tut gut, solch ökonomischer Sado-Maso trifft die Gefühlswelt, schichten- und bildungsunabhängig. Autoritätsfixierte erkennen ihn als Autorität.
Wenn Onkel Frank mit der Kohle kommt, buckeln die Ösis. Er stellt sich das so vor und sie stellen sich so an. „Wer das Gold hat, macht die Regel. Und ich habe das Gold“, sagt er in seiner unverwechselbaren Offenheit. Wo Mäzen draufsteht, ist Reklame drinnen. Wenn Stronach „Ich zahle“ ruft, ist das alles andere als ein Geschenk, es ist gelinde gesagt eine Drohung. Der Heimkehrer möchte mit seinem Reichtum nicht nur angeben, sondern auch anschaffen.
Doch der gute Onkel hat so seine Tücken und Macken. Selbst die ausgehalten werden, halten ihn nicht aus. Aber Geld stellt ruhig und ab einer gewissen Summe verfällt man in Schweigen und Nicken. Die Nachrede hält sich in Grenzen. „Der Magna-Konzern pflegt das Wohlwollen potenzieller Gegner mit großzügigen finanziellen Zuwendungen zu erkaufen“, schreibt die Wiener Stadtzeitung Der Falter trocken. Das dürfte hinkommen. Denn es ist der Frank, der eine Fabrik hinstellt, eine Trabrennbahn eröffnet, Siedlungen finanziert, Musiksäle sponsert oder Universitätsinstitute großzügig unterstützt. Spuren sollen sie halt, die an seinem Topf hängen. Das wird man sich doch noch erwarten dürfen.
Wenn das Gegenteil von Stilsicherheit mit Kitschsicherheit umschrieben werden könnte, würde Stronach sämtliche Preise abräumen. Ein Ausflug in das niederösterreichische Bad Waltersdorf, wo die europäische Magna-Zentrale ihren Sitz hat, ist dahingehend durchaus erhellend. In der Geschmackspyramide erreichen die Gebäude des Neureichen gerade mal den Sockelbereich.
Der jahrelange Versuch, den heimischen Fußball international wettbewerbsfähig zu werden, scheiterte allerdings kläglich. Aus den „vielen kleinen Ronaldos“ ist nichts geworden. Seine vollmundige Ankündigung, Österreich werde 2010 Fußballweltmeister, ist da noch in guter Erinnerung. Wie wir wissen, ist es anders ausgegangen. Da fuhrwerkte er tatsächlich in einem fremdem Metier, wechselte die Vereine wie die Unterhosen, be- und entsorgte Trainer und Spieler nach Belieben.
Dass die Politik auf Leute wie Strohsack verfallen kann, sagt viel über ihren Zustand. Die Marodeure stehen in den Startlöchern. Bauschlau Richard Lugner war noch zu klein für diese Rolle, die Stronach jetzt auszufüllen gedenkt. Wenn dieser also meint, dass das System kaputt ist, meint er, dass es noch nicht kaputt genug ist. Dafür tritt er auf, ein und an.
Kurzfassung in Freitag, 26. Juli 2012.