von Lorenz Glatz
Faul war ich nicht. Ich bin gern für meine Mutter einkaufen gegangen, auch Holz holen war kein Problem. Und die Bauernbuben, die zu Hause in der Wirtschaft geholfen haben, habe ich beneidet statt bedauert. Mit meinem Freund, der ein Hüterbub war, bin ich auf die Weide mitgelaufen, mit dem Großvater Heu auf- und abladen hab ich gemocht, die Kornmandl auf den Wagen bugsieren und im Stadl abwerfen, hat mich stolz gemacht. Wirklich „drangekommen“ bin ich ja nicht – wir selber hatten keine Landwirtschaft –, bloß einmal hab ich mich übernommen, beim Burgunder-Graben. Aber auch das hatte mir niemand angeschafft, so zu arbeiten wie die Großen. In der Art weitermachen, das konnte ich mir gut vorstellen, dass ich so lebe. Für alles war gesorgt, die Leute waren meistens nett zu mir, ich hatte viel zu tun den ganzen Tag mit Freunden und Spielgefährten, und manchmal habe ich mich eben auch zusammen mit den Erwachsenen nützlich gemacht.
Ich war in der dritten oder vierten Klasse Volksschule, als mir der Gedanke gekommen ist. Der war unangenehm und machte mir Angst: Ich würde einmal mit Arbeit Geld verdienen müssen. Was ich mir vorstellte, war, ich musste fremden Leuten einreden, bei mir und nicht beim anderen im Nachbarort was zu bestellen, und dann musste ich ums Geld streiten, das sie mir schuldeten. Das hatte ich von meinem Vater. Der wollte Opernsänger werden, musste aber von meinem Opa und vom Onkel ein Baugeschäft übernehmen. (Geschäftsmann war er wirklich keiner und hat seine Firma gleich wieder verkauft, als die alten Männer nicht mehr dreinreden konnten. Glücklich war er als Angestellter aber auch nicht.)
Konkurrenz schafft mir Unbehagen, ist irgendwie zum Frösteln. Natürlich bin ich ihr nicht entgangen, gesucht hab ich sie aber nicht. Ich mag es, wenn man mich lobt, ich möchte es rechtfertigen, aber dem Lob nachlaufen, gar es wem abjagen macht mich schnell müde. Der Ehrgeiz reicht nicht. Ich war ein guter Schüler und Student. Karriere nachgetragen hat mir niemand. Gottseidank, vielleicht wär ich ja drauf reingefallen. Also blieb ich in der Schule. So wie die Lage war, war es als Lehrer auszuhalten. Mit den jungen Leuten bin ich meist gut ausgekommen und bei manchen von ihnen und manchmal überhaupt habe ich vergessen können, wozu ich in der Schule angestellt bin. Aber: So oder so, „es ist eine Anstalt“, sagte mein letzter Direktor treffend, „und ist daher der Mühe nicht wert“, sagte ich und griff zu, als meinereinem ein „Vorruhestand“ auf dem Blechtablett angeboten wurde.
Auf einem Lehrerseminar vor so zwanzig Jahren hat uns einmal ein Manager, so richtig mit beiden Beinen auf dem „festen Grund der Wirklichkeit“ und persönlich 60 Stunden auf der Matte jede Woche, erklärt, wie er die Weltprobleme mit immer mehr vom selben löst. Das nenne ich Arbeit, und was ich will, ist „nicht von dieser Welt“, ich bin ein Außerirdischer sozusagen, das ist mir so eingeschossen. Der Sache nach war es nicht neu. Auf der Suche nach einer ganz andern, bessern Welt bin ich schon lang, oft mit mehr Irrtümern als Erkenntnissen, gelobt, geschmäht, mit Mühen und manchmal auch mit Freude an den Weggefährten. So lang ich Knochen, Hirn und Mundwerk halt noch rühren kann.