Brief aus Cordoba, 28. Juni 2009
von Dora de la Vega
Heute haben wir hier Wahlen : die Hälfte des Abgeordneten-Kammer und ein Drittel der Senatoren. ARD (des)informiert dazu im Ton der traditionellen BRD-Arroganz mit Verweis auf eines der verblödendsten Fernsehprogramme, das in den letzten Wochen die Politiker lächerlich macht, hintergründig aber DAS POLITISCHE meint. Hier und heute sehr passend.
Worum geht es argumentativ? Eigentlich will die Bourgeoisie auch in Argentinien direkt regieren und sich nicht mehr von den Vermittlern vertreten lassen. Die Opposition, d.h. die bürgerliche Parteien, zielen auf eine deutliche Veränderung sowohl der Außen- als auch Innenpolitik Argentiniens. Außenpolitisch hat dieses Land zusammen mit Brasilien die Rolle der Lauen in den neulich gegründeten lateinamerikanischen Institutionen (UNASUR, RIO-GRUPPE; BANCO DEL SUR) eingenommen. Doch halten sie zusammen mit radikaleren Staaten wie Bolivien, Ecuador und Venezuela eine gewisse Distanz zu USA, was neu in der Geschichte der letzten 50 Jahre ist.
Innenpolitisch stellt sich die Frage, ob der „Neokeynesianismus“ der Regierung weiter verfolgt wird oder das Modell der freien Marktwirtschaft, das die Opposition mehr oder weniger deutlich einfordert. Explizit tritt sie für eine Wirtschaftsstruktur nach dem Diktat des IWFs ein.
Die Regierung hatte ja diese Wahlen nicht zuletzt wegen der für das 2. Semester zu erwartenden Verteuerungen und eine weiterer Abnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten vorverlegt. Während der Wahlkampagne ist äußerst auffällig gewesen, mit welcher Vehemenz die Verteufelung der argentinisch-venezolanischen Beziehungen vor sich ging. Zündstoff dafür liefert die Verstaatlichung von über hundert Betrieben in Venezuela, darunter auch Siderar der Techint Group. Diese Verstaatlichung kam nach einem Streik der venezolanischen Arbeiter zustande. Die Medien berichteten täglich darüber, wie „argentinische Interessen“ von Chavez angegriffen wurden, und prangerten die Regierung an, weil sie sich nicht intensiv zur Verteidigung der Techint Group eingesetzt hatte. Dazu antwortete der ehemalige Präsident Kirchner: „Man verweist auf die Krise, wenn es um die Lohnzahlung der Arbeiter von Siderar (Siderar schuldet ihnen 27 Mio Dollar) geht, aber dann gibt es keine Krise mehr, wenn Techint 6 Mio Dollar vom Gewinn abhebt „… Venezuela zahlte Techint für die Verstaatlichung von Sidor 1.970 Mio Dollar, 400 davon flossen auf ein Konto der Firma bei einer deutschen Bank.
Was die Regierung beabsichtigt, ist nach Kirchners Erklärungen eine Mischwirtschaft, halbiert zwischen Privatkapital und Arbeitern. Auch hier zeigt sich, wie entfernt das „argentinische Modell“ der Kirchners von dem – unter sich verschiedenen – bolivianischen, ekuadorianischen oder venezolanischen Kurs liegt, geschweige denn von dem, was wir wollen. Was uns sehr besorgniserregend erscheint, ist das Zusammenrücken der Konservativen und Rechten, die sich auch aus den rechten Flügeln der großen Parteien in Wahlbündnissen gesammelt haben.