Ortsansässig?

von aramis

grundsätzlich gehe ich davon aus, dass land niemandem oder allen gehört. die geeignetsten menschen mögen es anvertraut bekommen und das für viele beste daraus machen. in meiner jugend gab es besetzungen von orten, häusern, die von ihren eigentümern nicht genützt, meist als spekulationsobjekte verwendet wurden. ich habe mich, abgesehen von solidaritätsaktionen mit den „landlosen“, hauslosen, anders verhalten – suchte nach grundstücken und häusern, die jahrzehntelang verlassen, dem verfall preisgegeben waren und schloss mit den eigentümern verträge in form von naturalpacht: freies wohnen und gestalten für eine gewisse zeit, nach ablauf derer ich grund und häuser in restauriertem zustand zurückgebe. burg linth, schloss lind mit kapelle, wirtschaftsgebäuden, obstgarten, wäldchen, weiden, teich und alten bäumen ist mein viertes projekt dieser art. dass alles unter ensembleschutz des bundesdenkmalamtes steht, kommt mir sehr entgegen, hindert es doch den eigentümer, dieses oder jenes gebäude einfach verschwinden zu lassen. durch diesen zugang wird arbeiten und leben zur einheit. das einfühlen in historische bauten und anlagen zur „bildung“: indem ich am bilden bin, bildet sich meine persönlichkeit heraus.

bei den orten meines lebens handelt es sich also immer um „temporäre“ heimaten. wer lebt, übe sich bei zeiten im abschiednehmen: der tod ist uns allen gewiss. un-heimlicher aber als abschied und tod ist mir stets ein „totes leben“, ein in gewohnheit, wohlstand, abgesichert-sein versandendes existieren erschienen. dem un-heimlichen dieser wohlstandsgesellschaften, von denen diese meine inseln umzingelt sind, deren kultur zersetzendes, fressendes technisches überformen immer größere teile der welt zur ortlosigkeit verdammt, gilt mein kampf: ich verteidige, solange es geht, oasen einer anderen kultur gegen die herrschende zivilisation, deren bewohner immer barbarischer und ferngelenkter werden. zu sehen wie sich dieser totalitäre formierungsprozess von menschen, orten und ganzen landschaften immer schneller bahn bricht, ist das un-heimlichste für mich.

die möglichkeiten historischer „substanz“ liegen für mich im er-innern. im gegensatz zu einer bildungsvorstellung, die nur mehr aus-, fort-, weiterbildung kennt und deren durch „lebenslanges lernen“ getriebene schüler immer mehr vom kopf und den wuchernden virtuellen anschlusswelten bestimmt werden, betrachte ich die arbeit mit dem ganzen körper als grundvoraussetzung von bildung. das leben und arbeiten in und mit historischen substanzen formt über die jahre persönlichkeiten, die sich gegen die abziehbilder des stets wechselnden zeitgeistes abheben: das ziel, „ein mensch“ zu werden, wird so nicht verloren.

musealisierung ist natürlich eine form von aus-dem-verkehr-ziehen. objekte, die in museen gesammelt sind, verlieren ihre politische brisanz. für mich gilt: politik ist nicht die frage, wer zu wählen sei, sondern wie zu leben sei. das „andere heimatmuseum“ (des Autors aktuelles Projekt: www.schosslind.at – Anmerkung der Redaktion) nimmt deswegen auch zu gesellschaftlichen vorgängen ausdrücklich stellung. gesellschaftskritische, d.h. die unterscheidungsfähigkeit zwischen guten und schlechten bzw. sinnvollen und unsinnigen veränderungen schulende interventionen mit den mitteln von gegenwartskunst sind politische eingriffe, zwischenrufe, widerstandsformen, halten alternativen in bewusstsein, versuchen „heimat“ zu ermöglichen. sind selbst eine art von heimat.

„wohnen, dämmern, lügen“, heißt ein band eines zeitgenössischen dichters nicht ohne grund. mein ganzes selbstständiges leben habe ich so etwas wie ein „wohnzimmer“ nicht eingerichtet. ich lebe mit meiner familie, den freunden und gästen in gehäusen, die in zimmer, säle, kabinette, galerien gegliedert sind und wo dies und jenes möglich ist und geschieht. die weihnachtsbäume wandern durchs haus und versammeln um sich die feiernden in verschiedenster umgebung. im sommer wohnt unsereins so viel als möglich draußen. da ist alles weit. im winter zieht man sich auf wenige räume zurück. lebt um die kachelöfen und herde herum. aber immer „wohnt“ man arbeitend am land: ob heu machend oder den schafen zutragend. ob holz schneidend und hackend oder im garten pflanzend, jätend, laub rechend. ob am gemäuer restaurierend, am hölzernen bundwerk, an den dächern: immer ist es ein leben auf der bau-stelle. immer ist für „gymnastik“ gesorgt, für ein „sportliches“ leben. bis der tod uns das werkzeug aus der hand windet und alles erneut zur disposition stellt.

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