Ungarische Faschisten heizen rassistische Gewalt an. Nazi-Partei »Jobbik« will ins Europaparlament
von Tomasz Konicz
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Die faschistische Gewalt in Ungarn eskaliert. In der Nacht auf den 23. Februar umstellten mehrere vermummte Männer ein Roma-Haus in dem 50 Kilometer südwestlich von Budapest gelegenen Dorf Tatarszentgyörgy. Die Täter zündeten das Gebäude mit Brandbomben an und schossen die fliehende Roma-Familie kaltblütig nieder. Der 27 Jahre alte Familienvater und sein vierjähriger Sohn wurden ermordet, ein weiteres Kind schwer verletzt. Dieser Terrorakt reiht sich in eine Serie ähnlicher Übergriffe ein, die nach Einschätzung der ungarischen Polizei von militanten Faschisten verübt werden. Innerhalb der vergangenen 18 Monate wurden in Ungarn 54 rassistische Überfälle auf Roma verübt, die vier Menschenleben kosteten.
Der Terror findet in einer Atmosphäre zunehmender rassistischer Ressentiments statt. Jüngst von der Nachrichtenagentur MIT veröffentlichten Meinungsumfragen zufolge gaben 81 Prozent der nahezu 1200 befragten Ungarn an, »negative Gefühle« gegenüber den Roma zu hegen. Vier Fünftel äußerten zudem die Meinung, daß diese an ihrem Elend »selbst schuld« seien, da sie »nicht arbeiten« wollten. Dabei sind es gerade die Roma, die derzeit am schwersten von der Krise getroffen werden, da sie zumeist aufgrund der weit verbreiteten Vorurteile als erste ihre Arbeitsstelle verlieren. In vielen Regionen mit einem hohen Bevölkerungsanteil an Roma liegt die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt.
Besondere Empörung in der jüngst angegriffenen Siedlung löste das Vorgehen der Polizeikräfte aus, die sich zunächst bemühten, diesen Terrorakt als gewöhnlichen »Brandunfall« auszugeben. »Sie wollten es vertuschen«, teilten Nachbarn der Opfer den Medien mit. Erst die Intervention von Politikern aus Budapest ließ die Ermittlungen in Gang kommen. Auch in Tatarszentgyörgy habe es Spannungen zwischen den Roma und der ungarischen Bevölkerungsmehrheit gegeben, erklärten inzwischen Ermittlungsbehörden auf einer Pressekonferenz, doch würden als Täter eher Außenstehende in Frage kommen. Es handele sich demnach um eine Gruppe »fanatischer Extremisten«, die ihre Ziele zuvor auskundschaften würden und zumeist die »am Rand gelegenen Häuser der jeweiligen Ortschaft« angriffen. In vielen Dörfern gehen inzwischen die Roma dazu über, den Selbstschutz zu organisieren.
Es ist die ungarische Nazi-Partei »Jobbik« und die von ihr vor eineinhalb Jahren gegründete paramilitärische »Ungarische Garde«, die durch ihre gegen »Zigeunerkriminalität« gerichtete rassistische Kampagne die Stimmung maßgeblich angeheizt hat – und auch von ihr profitiert. Inzwischen können sich die ungarischen Faschisten sogar Hoffnungen auf einen Einzug ins Europaparlament machen. Die ungarische Garde marschiert mit Vorliebe direkt in den Romagettos auf, um bereits vorhandene, ethnische Spannungen zu Eskalation zu bringen. „Die ganze Angelegenheit hat eine kritische Masse erreicht“, erklärte der Kriminologe Peter Hack gegenüber der Financial Times, „mit dem ökonomischen Abschwungs setzte die traditionelle Jagd nach dem Sündenbock ein. Da es in Ungarn keine Immigranten gibt, sind die Roma das Ziel.“
Dieses Beispiel scheint Schule zu machen. Die tschechischen Neofaschisten der so genannten „Arbeiterpartei“ bemühen sich inzwischen, mit einer ähnlichen Taktik an die Erfolge ihrer ungarischen Gesinnungsgenossen anzuknüpfen. Mitte November lieferten sich ca. 700 tschechische Nazis einer Straßenschlacht mit der Polizei, als sie in Litvínov in den Größtenteils von Roma bewohnten Stadtteil Janov einzudringen versuchten. Weitere „Patrouillen“ durch Janov organisierten die Nazis ende Januar. Am 21. Februar veranstaltete die „Arbeiterpartei“ eine rassistische Kundgebung in Postoloprty, um gegen die dortige „unangepasste Minderheit“ zu hetzen. Wenige Tage später, am 25. Februar, riefen die Nazis in Litvínov sogar ihren eigenen „Schattenbürgermeister“ aus, der das „Problem“ des von den Roma bewohnten Gebiets einer entschiedenen „Lösung“ zuführen will. Diese Taktik scheint sich bezahlt zu machen. Während die „Arbeiterpartei“ bei den Komunalwahlen in 2004 gerade mal 3000 Stimmen Erhielt, waren es 2008 bereits 29.000 Stimmen. In einigen Regionen kommt die Nazis bereits die Partei der „Grünen“ überflügeln. „Die Zeiten sind schlecht und die Leute brauchen ein Sandsack“ zum draufschlagen, Erklärte die Roma-Aktivistin Gwendolyn Albert gegenüber der Prague Post.
Geschrieben am Mittwoch, 04. März 2009