von Andreas Exner
Nun ist es fix: Schuhhersteller Gabor entlässt 240 Menschen in Spittal/Drau. Nur 150 verbleiben im Betrieb. Wer gehen wird, ist unklar. Das Management hält erst 2011 eine Erholung für möglich. Dann könne man eventuell wieder Leute aufnehmen, so verlautet es aus der Kommandozentrale des Betriebs.
Das ist schön. Vielleicht. Wäre es denn wahr.
Bis dahin jedenfalls bleibt das Management im Sattel. Gehen müssen vielmehr die Menschen, die Gabor’s Gewinne produzierten. In der Krise kommen sie nun zum Handkuss.
Gabor ist ein Beispiel für viele andere. Die Gesamtlage ist schlicht desaströs.
In Deutschland schrumpft die Wirtschaft 2009 voraussichtlich um 6%, so der jüngste Tenor. Österreichische Ökonomen üben sich noch in lächerlichem Optimismus. Dieses Spiel ist schon 2007 und 2008 nicht aufgegangen. Warum man den Mainstream-Ökonomen überhaupt noch Glauben schenkt ist rätselhaft.
Eines jedenfalls ist sicher: Es wird schlimmer kommen.
Eine Welle der Massenarbeitslosigkeit baut sich auf. Zugleich hat der Staat enorme Schulden angehäuft. Noch dazu werden die Ausgaben für Sozialleistungen steigen, seine Einnahmen aber drastisch reduziert. Dies umso mehr, als er Vermögen und Profite praktisch nicht mehr besteuert. Bei rückläufigen Masseneinkommen sieht es für seine Kassen demnach äußerst düster aus.
Angesichts dieser Entwicklungen ist die herrschende Klasse in Politik und Wirtschaft zynisch bis naiv. Magna verordnet bereits Lohnverzicht und erfrecht sich, dabei von “Solidarität” zu faseln. Einer seiner Oberbefehlshaber ist sogar so dreist und meint, Magna hätte ja auch die Profite “geteilt” – nun müsse also auch die Belegschaft “Solidarität” beweisen.
Die Lohnabhängigen haben Angst. Das treibt sie teilweise dazu, den Lohnverzicht zu akzeptieren. Dieser Weg ist mit Sicherheit fatal.
Denn diese Krise ist keine, die 2010, 2011 oder 2012 überwunden ist.
Der ganze unvorstellbar ausgedehnte Finanzüberbau der “Realwirtschaft”, der sich seit mehr als 20 Jahren auf dem Rücken der Lohnabhängigen aufgetürmt hat, bricht ein. Bis jetzt auf Raten, bald vielleicht in Gestalt eines Erdrutschs im Finanzsystem. Danach wird nichts mehr sein wie früher.
Staatsbankrotte drohen am Horizont. Unmengen fauler Kredite, derzeit notdürftig durch staatliche Monstergarantien und illusionsgedeckte Finanzspritzen in einer prekären Agonie gehalten, verwesen vor sich hin. Wenn irgendwo ein zentrales Glied der kreditären Ketten reisst, dann ist der Sog in die Tiefe kaum mehr zu stoppen. Das beste Szenario, das der Kapitalismus uns noch zu bieten hat, sind Massenarmut, Apathie und Stagnation.
Es gibt keine Möglichkeit mehr, dieses System so zu reparieren, dass etwas Annehmbares dabei herauskommt.
Doch manch einer wirkt, als würde er gleich Humpty Dumpty aus “Alice im Wunderland” mit geschlossenen Augen auf der dünnen Mauer seiner Träumereien von “ökosozialer Marktwirtschaft” und “grünen Regierungen” balancieren. Die Krise wird in diesen Kreisen wie schlechtes Wetter in den Bergen wahrgenommen. Oder aber wie eine Nachricht aus einem fernen Land, das man nur vom Hörensagen kennt. Kurz: Die Naivität der “besseren Hälfte” der politischen Klasse ist erschreckend.
Während die Zyniker längst die Entsorgung der für den Kapitalismus “Überflüssigen” vorbereiten, bilden sich die Naiven ein, sie könnten – so dezidiert die parteigrüne Variante – mit einem “Green New Deal” das Ruder noch herumbekommen.
Tatsache aber ist: Soll es überhaupt noch einen Aufschwung geben, so ist vorher die Vernichtung einer riesigen Masse von Kapital vonnöten, das nicht mehr verwertet werden kann. Dabei werden in derselben Dimension die Lebensperspektiven von Lohn- und damit Kapitalabhängigen zerstört.
Wer wird, halbwegs bei Trost, auf marktwirtschaftlich verbrannter Erde mit einem Haufen von Wohlstandsruinen dann noch Kapitalismus wollen? Davon abgesehen startet auch nach massiver Kapitalvernichtung ein Aufschwung nicht von selbst. Ja, selbst wenn ein solcher möglich wäre, so würde er rasch wieder durch die fortschreitende Verknappung der fossilen Ressourcen in die Knie gezwungen.
Die Lösung liegt folglich nicht in “grüner Politik”, auch nicht in “Konjunkturpaketen” oder Lohnverzicht.
Was ansteht, ist die Überwindung des Kapitalismus:
1. Kein Zugeständnis an das Kapital: kein Lohnverzicht, stattdessen höhere Löhne, nicht zuletzt um die Inflation der letzten Jahre auszugleichen.
2. Kein Zugeständnis an den Staat: keine Kontrollen von Erwerbslosen durch das AMS, stattdessen ein bedingungsloses Grundeinkommen für Alle; keine “Budgetsanierung”, stattdessen ist jede Verantwortung für das staatliche Selbstmordunternehmen von uns zu weisen.
3. Keine Sozialisierung der Verluste: Reiche enteignen.
Wer jetzt noch etwas anderes will als die Demokratisierung der Betriebe und den Aufbau einer Solidarischen Ökonomie ohne Verwertungszwang und Management, ist nicht mehr ernst zu nehmen.
Das System und seine Büttel sind bar jeder Verantwortung. Mehr als 20 Jahre Neoliberalismus und nun die Krise sind Beweis genug.
Jetzt muss es darum gehen, den Lebensstandard der Erwerbstätigen mit allen Mitteln zu sichern und den der Erwerbslosen kompromisslos zu erhöhen. Dazu ist eine harte Abwehr der Angriffe des Kapitals vonnöten.
Das Überleben der Mehrheit und der Kapitalismus sind unvereinbar geworden. Die Mehrheit muss überleben, es ist der Kapitalismus, der sterben muss. Jede Verantwortung für Kapital und Staat ist abzulehnen.
Mit einer Abwehr von Angriffen des Kapitals ist es jedoch keinesfalls getan. Die vom Kapital geprägte Grundlage des bisherigen Lebensstandards und seiner Verteidigungslinien lässt sich nur für einen historisch kurze Zeitraum noch aufrecht erhalten.
Es ist daher unumgänglich, eine Alternative aufzubauen. Während der Kapitalismus absäuft, müssen wir die Betriebe aus seinem kalten Todesgriff befreien. Das Management muss entmachtet werden, die Entscheidungen im Betrieb gehören in die Hände der Belegschaft. Die Arbeit ist demokratisch zu verteilen, eine Basisversorgung für Alle bedingungslos zu gewährleisten.
Ebenso wichtig ist, die Beziehungen zwischen den Betrieben vom Zwang des Marktes und seiner Konkurrenz zu befreien. Kooperation und bewusste Absprachen, was von wem für wen und wie produziert wird, sind die einzige Möglichkeit für eine Zukunft.
Anknüpfungspunkte für eine solche Alternative gibt es genug. Aber nur, wenn man der Realität ins Auge sieht.
Der Eintrag erschien zuerst auf dem Weblog der Grüne/UG in Kärnten