Streifzüge 45/2009
Von Franz Schandl
Das Problem ist nicht, dass das gute Leben nicht herstellbar oder leistbar wäre, es ist nicht finanzierbar. Woraus in der irrationalen Rationalität gefolgert wird, dass man sich das gute Leben abschminken soll, keineswegs aber Zahlungsfähigkeit und Kaufkraft verwerfen darf. „Ohne Geld geht gar nichts“, das ist dieser heillose Konsens, aus dem beschränkte Subjekte, die sich freie Bürger schimpfen, ihre grobschlächtigen Vorurteile speisen.
Halten wir doch kurz inne: Die Maschinen sind da, die Rohstoffe sind da, die Kenntnisse sind da, ebenso die Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die Produkte sind herstellbar, die Leistungen machbar, die Güter verteilbar. Dies alles wäre schaffbar, nur zwängt es sich nicht durch das Nadelöhr des Marktes. Wir sind so an unseren monetären Schranken angelangt – zweifelsfrei; aber nie und nimmer an den Grenzen des Machbaren – im Gegenteil, diese gehen erst auf. Objektiv steht der Kommunismus an, ob er wirklich werden kann, hängt allerdings von uns ab.
Nicht über unsere Verhältnisse haben wir gelebt, sondern unter unseren Verhältnissen leben wir. Die soziale Degradierung durch die Krise ist nicht Ergebnis davon, dass unsere Möglichkeiten sinken, jene ist Konsequenz daraus, dass die Güter als Waren nicht mehr bezahlt und die aufgenommenen Kredite nicht mehr bedient werden können. Im Prinzip ist das kein Malheur, ein Unglück ist es nur in einer Gesellschaft, wo der Wert und das Geld, wo Kaufen und Verkaufen sakrosankt sind. Solange wir dieses Paradigma nicht verlassen, sind wir den Gesetzlichkeiten und Zerstörungen von Markt und Staat ausgesetzt.
Nun denn, wenn es mit dem Geld nicht geht, warum probieren wir es eigentlich nicht ohne? Was fesselt uns so an den Fetisch, dass wir lieber mit ihm untergehen, als dass wir uns ihm verweigern? Warum jagen wir ihm nach, anstatt ihn zu verjagen? Warum vermögen wir uns kein Jenseits davon auszudenken? „Wir kommen deshalb nicht dazu, die Welt ohne Geld zu denken, weil wir alles mit ihm denken“, sagt Eske Bockelmann. „Kein Gedanke entkommt dem Geld, weil es jeder schon fest in sich trägt.“ (Die Abschaffung des Geldes, Streifzüge 36, S. 6 und 7)
Es wäre doch einfach, die Fragen so zu stellen: Wie versorgen wir die Leute, wie produzieren und verteilen wir Güter und Leistungen? Die fetischistische Frage von rechts bis links, von oben bis unten, und das in aller Herren Länder, jedoch lautet: Wie stellen wir das Geld auf, dass Staaten und Unternehmungen, Banken und Versicherungen und zuletzt auch die Konsumenten zahlungsfähig sein können? Geht es in erster Frage um die Menschen, so in der zweiten Frage um die Wirtschaft. Das Grundproblem ist, wir denken die Frage 1 automatisch als Frage 2. Und auch wenn wir jetzt mit dem Geld ein ganz praktisches Umsetzungsproblem haben, ein Übersetzungsproblem haben wir deswegen (noch immer) nicht, eben weil die Grundsetzung dieser Reflexion so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass sie als organisch erscheint. Wie bringen wir also das Geld aus unseren Köpfen? Denn raus muss es.
Was meint freie Assoziation, was gutes Leben, was Genuss? Jene ist ja keine mit festen Strukturmerkmalen ausgestattete Ordnung im Sinn einer Gesellschaftsformation. Keine Formatierung, sondern eine Entformatierung, keine Normierung, sondern eine Enormisierung der Vielfalt. Da gibt es auch keine neuen Werte, sondern gar keine. Man kann nicht sagen, was im Kommunismus normal ist. Vielleicht dieses: dass die Menschen (und auch die anderen Geschöpfe) den Menschen nicht egal sind und dass soziale Not überwunden ist. Dass die großen Zumutungen wie Hungern, Dursten, Frieren, Bekriegen, Konkurrieren, Arbeiten, Vereinsamen und Verblöden der Vergangenheit angehören. Insgesamt werden die Komponenten des Spiels in ihrer gesamten Varianz an Platz im Leben gewinnen. Darüber hinaus wird es eine Vielzahl an Problemen, Schwierigkeiten und Aufgaben geben. Es wird nicht nur bequem sein.
Im Kommunismus wird viel Zeit dafür verwendet, sich um sich und seinesgleichen zu kümmern. Um Freudenschaffung geht es und um Freundschaftspflege. Da ist einiges aufzuholen und vieles zu tun, was heute unterlassen werden muss. Und wenn das alles einem zu viel ist, kann eins zwischenzeitlich aussteigen, ohne sich selbst versorgen zu müssen. Die Momente des Glücks werden nicht so selten sein und die Phasen der Zufriedenheit werden größere Dauer kennen. Individuelle Disposition ist dafür die Grundbedingung. Gutes Leben heißt aus dem Vollen zu schöpfen, um selbst schöpferisch tätig zu werden.
Der Kommunismus hat nichts anderes vor, als dass die Menschen gut zueinander sind, weil sie es können und weil sie es wollen. Er hat nichts zu verwirklichen, er will nichts vorschreiben, er hat keine letzten Ziele, keine hehren Ideale und keinen tieferen Sinn. Freude will er ermöglichen, das schon. Er möchte, dass Menschen froh sind und genießen können. Wozu sonst soll man auf der Welt sein? Materiell setzt der Kommunismus auf Zukömmlichkeit. Und emotionell auf Bekömmlichkeit. Kurzum, es soll schmecken. Nur, wie bringen wir die Leute auf den Geschmack?