von Franz Schandl
Nun, weil das noch immer verboten ist. Wo kämen wir da hin? Da treibt es doch ein Pärchen genanntes Paar tatsächlich in der Öffentlichkeit, noch dazu im heiligen Land Tirol, in Innsbruck, ja sogar vor dem ehrwürdigen Denkmal auf dem Eduard Wallnöfer-Platz, direkt vor dem Landhaus. Wenn das Schwiegersohn van Staa gesehen hätte, wäre ihm einmal mehr das Schweigen vergangen und er hätte bestimmt gesagt, was der gemeine Menschenverstand zu sagen pflegt, weil hören will, nämlich, dass das eine „Schweinerei“ sondergleichen ist.
Indes, es war nicht der Ex von einem Landeshauptmann, der das beobachtete, sondern jemand anderer und diese Person hatte nichts Besseres zu tun, als die Fotos auf dem größten Abort abzuliefern, den es heute gibt, gemeint ist das Internet. Was zur Folge hatte, dass das Paar, das, um es lächerlich zu machen, stets Pärchen genannt wird, ausgeforscht und angezeigt wurde. Nun soll es sich vor Gericht verantworten: Selbstverständlich droht eine Verurteilung – bei der Beweislast.
Dort, wo virtuell alles und reell nichts gefickt wird, sind die Surfer ja heimlich zu Hause. Ist es nicht so, dass die Öffentlichkeit via Justiz dem „Pärchen“ gerade das vorwirft, was sich viele Staatsbürger via Internet täglich einziehen? Schlimm wohl auch, dass jene beiden Erwischten keine Professionellen sind, dass sie es nicht aus kommerziellen Gründen taten. Sondern einfach so. Sie werden nun bestraft für etwas, was die verhinderten Läufigen nicht stört, sondern was sie eigentlich anturnt.
Hundert Jahre nach Karl Kraus‘ „Sittlichkeit und Kriminalität“ offenbart (nicht nur) das österreichische Staatswesen und sein Menschenschlag, auf welch stinkigem Niveau sie verwesen. Man lese nur die sich ständig auskotzenden Postings und man kann ahnen, wie viel Dreck in die Schreiber hineingestopft wird und wie viel Dreck sie inzwischen freiwillig fressen. Was Befreiung ist, empfinden sie als Bedrohung. Im Ernstfall ist die Staatsanwaltschaft auf ihrer Seite.
Was soll man sagen? Den spezifischen Akt wollen wir nicht beurteilen, denn wir haben ihn nicht zu beurteilen. Schon gar nicht zu verurteilen. Wir halten ihn nicht für gut und nicht für schlecht, aber unbedingt für möglich. Wir haben solche Paarungen einfach zuzulassen, einzumischen haben wir uns nur, wenn wir sie vor Übergriffen wild gewordener Sittenwächter in Schutz nehmen. „Perversität kann eine Krankheit sein, sie kann aber auch eine Gesundheit sein“, wusste schon Karl Kraus. Wer’s nie im Freien getan hat, hat wirklich was versäumt. Wer’s immer dort treiben muss, hat freilich einen schweren Tick. Doch der gehörte therapiert und nicht bestraft.
Bestraft hingegen müsste jemand anderer werden, und zwar der irre Vogel im Park, der nicht einmal in Ruhe seinen Live-Porno genießen konnte, sondern ihn unbedingt festhalten und weiters der Öffentlichkeit und der Justiz ausliefern musste. Was hier vorliegt, ist nicht Erregung öffentlichen Ärgernisses, sondern ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre, denn bestenfalls wollten die beiden, dass man ihnen zuschaut (und wer nicht hinschauen will, kann ja wegschauen), nicht jedoch, dass sie dokumentiert werden. Genau das hat der Amateur von einem Paparazzo aber getan.
Heute laufen ja viele von der Sorte, gemeint sind mit Handys bewaffnete Klemmis, durch die Gegend. Sie lichten ab, was nicht abzulichten ist. Es sind Leute, die selbst zu wenig vögeln, daher können sie derlei fröhliches Koitieren nicht pardonieren, sie ertragen es nicht, geschweige denn, dass sie es vertragen. Der Unglückliche ist dadurch gekennzeichnet, dass er alle Leidenschaft den anderen verleiden muss. Anstatt die Vögelnden zu verfolgen, sollten die Leute selbst mehr vögeln. Muss ja nicht in der Öffentlichkeit sein.
Anstößig ist nicht der Liebesakt, sondern der Polizeiakt, obszön nicht der Geschlechtsverkehr, sondern dessen Veröffentlichung, kriminell nicht das öffentliche Ficken, sondern dessen darüber hinausgehende Zur-Schau-Stellung. Der Kriminalfall wird durch die Anzeige erschaffen und nicht durch die sexuelle Handlung.