Streifzüge 42/2008
2000 Zeichen abwärts
von Peter Samol
Es soll ja wirklich Menschen mit der Auffassung geben, Armut fange erst mit dem Hunger an. Aber selbst solche müssen inzwischen der Aussage zustimmen, dass in Deutschland die Armut um sich greift. Seitdem im Januar 2005 die Hartz-IV-Gesetze in Kraft getreten sind, können Lehrer immer häufiger von hungrigen Kindern im Unterricht erzählen. Selbst auf den Grundschulen. Mit der Einführung von Hartz IV ist auch der Regelsatz für Schulkinder deutlich gesenkt wordenFür die Ernährung der Sieben- bis Vierzehnjährigen sind seitdem statt 2,82 nur noch 2,28 Euro pro Tag vorgesehen. Der tatsächliche Tagesbedarf für gesunde Ernährung liegt nach Forschermeinung aber sowieso bei knapp fünf Euro. Wenn es aber hinten und vorne nicht mehr langt, gehen jetzt offenbar Kinder auch schon beim Essen leer aus. Zudem hat sich die Zahl der auf Unterstützungsleistungen angewiesenen Kinder seit der Einführung von Hartz IV auf 2,5 Millionen verdoppelt. Hinzu kommen weitere knapp sechs Millionen Kinder, deren Eltern nicht über ein existenzsicherndes Einkommen verfügen und zumindest zeitweise auf Aufstockung nach Hartz IV angewiesen sind.
Laut Regelsatz soll beispielsweise das Mittagessen für 79 Cent erworben werden. Schulkantinen verlangen aber zwischen zwei und drei Euro für die Mahlzeit. Und so bleiben immer mehr Kinder in der Schule hungrig. Dass Hunger nicht gerade die Leistungsfähigkeit steigert und damit sehr vom der Mehrung des „Humankapitals“ ablenkt, scheint an entscheidender Stelle niemanden zu stören. Die Kinder selbst warten mittlerweile in den Schulkantinen darauf, etwas von den Essensresten der Mitschüler zu ergattern. In anderen Weltgegenden leben bereits ganze Familien auf städtischen Mülldeponien und fristen ihr Dasein, indem sie die Abfälle anderer verzehren. Langsam aber sicher hält solches Elend auch in den wirtschaftlich führenden Ländern Einzug.