von Andreas Exner
André Gorz ist tot, vor zwei Tagen verstorben zusammen mit seiner Frau Dorine. Mit ihr war er sechzig Jahre lang vereint. Sie litt unter einer schweren Krankheit. Für ihn war klar, „Du bist das Wesentliche, ohne das alles Übrige, so wichtig es mir erscheinen mag, solange Du da bist, seinen Sinn und seine Bedeutung verliert“. Sie beide wählten den Freitod. Dass es so kommen würde, konnte ahnen, wer sein letztes Buch, Brief an D. , Geschichte einer Liebe, gelesen hatte. „Jeder von uns möchte den anderen nicht überleben müssen. Oft haben wir uns gesagt, dass wir, sollten wir wundersamerweise ein zweites Leben haben, es zusammen verbringen möchten“, heißt es am Ende. Brief an D. las ich erst, als ich von ihrer beider Tod erfuhr. André war ein warmherziger und wahrhafter Mensch, freigebig. Seine Freude konnte einen wirklich erfreuen. Und er inspirierte, weil er inspiriert war, „begeistert“, wie er bei Gelegenheit gerne schrieb. Einmal sprach er von einem „gewaltigen Vorsprung“, der ihn von uns trenne; ihn, der so vieles von dem vorweggenommen oder besser: vorweggegeben hatte, was uns auf diesen Seiten und weit, sehr weit darüber hinaus befasst, ihn, der uns, wenn auch nur für eine kurze Strecke, so man sie denn vermessen wollte, ein Weggefährte in Herz und Geist gewesen ist. André war ein Mensch, für den das Wort „bescheiden“, das einem in diesem Moment bereit gehalten scheint, nicht zutrifft, weil er aufs Ganze zielte, weil er im Augenblick die Ewigkeit entdeckte, weil er uns die Tiefe des Lebens fühlbar macht. Einen Vorsprung, lieber André, den hatten Sie.