Streifzüge 37/2006
2000 Zeichen abwärts
von Christoph Wendler
Die Wogen der BAWAG-Affäre schlugen hoch und noch immer ist nicht abzusehen, ob sie sich zu einem weiteren Tsunami auftürmen werden. Dubiose Verwicklungen der Gewerkschaft in Bankmissgeschäfte ließen dunkle Wolken aufziehen und viele standen ratlos im Regen. Ein Abfluss an Spareinlagen einerseits und eine Austrittswelle aus dem ÖGB andererseits waren die logische Folge. Manche Personen gingen dabei ziemlich hilflos über BordSchlussendlich sah sich sogar der Staat dazu genötigt, helfend einzuspringen; zu groß war die Angst vor weiteren negativen (polit-)ökonomischen Effekten durch den beginnenden „Domino-Effekt“ bei verunsicherten SparerInnen und potenziellen WählerInnen. Inwieweit jedoch die „nationale Rettungsaktion“ gelingt, wird die Zukunft zeigen. Die EU jedenfalls will den Fall nach den geltenden Wettbewerbsrichtlinien eingehend prüfen…
Was von vielen bisher mehr oder weniger erfolgreich im Unbewussten versenkt worden ist, taucht nun etwas plötzlich, aber nicht gerade unerwartet an die Oberfläche: Die Inseln des kapitalistischen Verwertungssystems bleiben von der heraufziehenden Krise auf Dauer nicht verschont. Dementsprechend groß ist die Empörung – zuviel Geld wurde in den Sand gesetzt. Doch anstatt die Warengesellschaft als solche zu kritisieren, werden die Krisenzusammenhänge falsch interpretiert und wieder einmal verhängnisvolle Gedankengänge strapaziert, die lediglich das „parasitäre Großkapital“ ins Visier nehmen; ein Denken, das dem strukturellen Antisemitismus gefährlich nahe kommt und fallweise in ihm aufgeht. Daneben fühlen sich manche verstaubten Linken von der Gewerkschaft hintergangen, weil sie anscheinend noch immer nicht begriffen haben, dass diese nicht über den Beckenrand der Marktwirtschaft hinausweisen kann, sondern ganz im Gegenteil in Zeiten von Prekarisierung zunehmend an Einfluss einbüßt und in finanzielle Notlagen gerät. Denn „Marx plus Markt ist Murks“, wie Bundeskanzler Schüssel pointiert anmerkt.