Pope Hope

Kleine Nachrede zum Weltjugendtag in Köln

von Franz Schandl

„Mir geht es wie dem Jesus/mit dem ich mich verglich/denn außer alten Jungfern/schwärmt niemand mehr für mich“, sang Wolfgang Ambros in seinen besseren Tagen. Das war Anfang der Siebziger, wo eins noch glauben konnte, dass aus dem Austropop etwas anderes werden würde als das, was dann aus ihm geworden ist: ein regressiver Abgesang der üblen Sorte. Die Einschätzung der religiösen Motivation erwies sich freilich selbst als Illusion. Es war Schein, dass Kapital und Revolution den alten Irrationalismus hinwegfegen. Nicht nur alte Jungfern singen Hallelujah, ganze Legionen von Youngsters sehen in Jesus Christ ihren Superstar, und auch sein Stellvertreter auf Erden, der deutsche Papst, gilt als solcher. Eine Gruppe mit dem bezeichnenden Titel „Teen-Star“ hat sogar gelobt vor der Ehe auf jeglichen Geschlechtsverkehr zu verzichten. Da darf man nur noch kondolieren.

In Köln war jedenfalls Pope Hope angesagt. Pop und Pope gehen zusammen, und wie sie zusammengehen. In den USA, der Speerspitze der westlichen Zivilisation, hatte sich das schon in den Achtzigern angekündigt: Man denke an Hits wie YMCA („Young Men Christian Association“) der Village People, an die Messen der extraextrovertierten Katholikin Madonna, an die Kreuzgesänge von Prince („The Cross“, 1987) oder an den konvertierten Bob Dylan im Vatikan. Nicht belächelt werden etwa die notorischen U2, sondern akklamiert.

Bei Ratzinger ist das nicht anders, er ist nur um vieles klüger als Bono Vox. Der sechzehnte Benedikt lässt sich dieses Köln-Konzert durchaus gefallen, nicht bloß weil es so gefällig ist, sondern weil es ihm wohl auch gefällt. Die versammelte Herde, nichts liebt der Oberhirte mehr als diese, erzeugt sie doch Sicherheit und Zuversicht durch Stimmung. „Das ist die echte Love-Parade, die sind gut drauf, die Katholiken“, sagt die bayrische Gloria, gefürstete Thurn und Taxis. Zweifellos, in Köln hat die Kirche ihre Vitalität zelebriert. Köln bot eines dieser ekstatischen Surrogate, bestechend in der Form ganz unabhängig vom Inhalt.

Egal, was sich heute äußert, auffällig ist es nur noch als Facette der Kulturindustrie. Die vatikanische Marketing-Offensive lässt die unüberriechbare Ranzigkeit des Angebots vergessen. Auch etwa die irre Ansicht Benedikts, wenn er als Hauptgrund für die Shoa ausgerechnet den mangelnden Gottesglauben anprangert, sie auf das Heidentum zurückführt, nicht aber das Christentum als wichtigsten geistigen Wegbereiter benennt. Der okzidentale Judenhass ist allerdings elementarer Bestandteil des Christentums, gerade dort wurde der Antisemitismus gepflegt und gehegt und gepredigt. Darüber redet man ungern.

Religion ist aber nichts Gestriges, sie ist vielmehr eine zeitgeistige Bombe. Sie ist kein Rückfall ins Mittelalter, nein: dieses ist noch gar nicht vorbei. Dort, wo das marktliberale Diesseits keine Hoffnungen mehr zu wecken vermag, steigt das Jenseits im Kurs. Wo der Rationalismus nur noch Geld und Arbeit zu beschwören versteht, kehrt der Irrationalismus als dessen Kehrseite wieder. Er nimmt Defizite wahr und gleicht sie auf seine Art und Weise aus ohne sie zu beseitigen. Kirche, das ist eine gesonderte Organisation zur Pflege und Bedienung des Fetischismus, Religion ist laut Marx die Anerkennung des Menschen auf einem Umweg, steht für Beten statt Denken, Barmherzigkeit statt Herzlichkeit, Erbarmen statt Solidarität, Almosen statt Reichtum. Kirche und Religion sind lebensverneinender Quark. Oder um noch einmal den jungen Ambros zu zitieren: „Das Leben ist ein Heidenspass / für Christen ist das nichts“.

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