Naturkatastrophen?

von Franz Schandl

Als die Insel Santorin vor ungefähr 3500 Jahren von einem Vulkan gesprengt wurde und sich eine gewaltige Flutwelle bis nach Ägypten ihren Weg bahnte, konnte man wohl noch ganz eindeutig von einer Naturkatastrophe sprechen. Was soll dies auch sonst gewesen sein?

Indes: War der Tsunami im Indischen Ozean ebenso wie der Hurrican im Golf von Mexiko solch ein Naturphänomen? Oder ist das schon ideologisches Geschwätz? Sicher ist nicht davon auszugehen, dass die gegenwärtigen Katastrophen rein gesellschaftlichen Charakters wären und mit Natur gar nichts zu tun hätten. Aber die Natur, die da agiert, reagiert auf eine spezifisch hergestellte Umwelt. Und es ist diese besondere Konstellation, die Dimensionen und Folgen bestimmt. Katastrophen geschehen nicht nur, sie werden auch gemacht. Zwar sind jene nicht frei von Natur (verstanden als Selbstgeschehnis ohne menschliches Zutun), aber doch weitgehend den sozialen Zusammenhängen geschuldet. Der Begriff der Naturkatastrophe ist fragwürdig geworden. Das Unglück, das da oft hereinbricht, ist ohne gesellschaftlichen Kontext nicht denkbar. Die Unfälle sind nicht bloß Zufälle, auch wenn viele meinen nichts anderes vermuten zu dürfen. Das Gerede von „höherer Gewalt“ zeugt oft von niedrigen Instinkten, z. B. von Kapital- und Konsuminteressen. Aber es gibt auch Idioten, die sogar in Krieg und Hunger Naturschicksale erblicken.

Hurrikans (oder Taifune) sind einer neuen Studie zufolge in den vergangenen Jahrzehnten schlimmer geworden und drohen an zerstörerischer Kraft noch zuzunehmen. Das behauptet der US-Forscher Kerry Emanuel vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“. Emanuel, einer der führenden Hurrikanforscher, wertete die Daten von tropischen Wirbelstürmen seit Mitte des 20. Jahrhunderts aus. Dabei stellte er fest, dass Wirbelstürme sowohl im nördlichen Atlantik als auch im Nordpazifik seit 1975 immer mehr Energie freisetzten. Die Dauer der Unwetter und die Windgeschwindigkeiten hätten um etwa 50 Prozent zugenommen während der vergangenen 50 Jahre. Die größere Sturmintensität ging laut Emanuel einher mit steigenden Durchschnittstemperaturen an der Oberfläche der tropischen Meere: „Das deutet darauf hin, dass diese Erwärmung – die auch auf die globale Erwärmung zurückgeführt werden kann – verantwortlich ist für die stärkere Kraft der Hurrikans. “

Natürlich ist das noch kein endgültiger Beweis, aber die Häufung verheerendrer Unfälle (Dürren, Überschwemmungen, Unwetter, Flutwellen, Erdrutsche, Lawinen… ) sind doch keine Marginalien, sondern insgesamt Indizien, die nicht verdrängt werden sollten. Der Kapitalismus, wir sollten es nicht vergessen, ist nicht nur eine soziale Katastrophe, sondern auch eine ökologische. Das Treibhaus der Unkultur schlechthin.

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