Streifzüge 33/2005
von Lorenz Glatz
Wer nur Texte gut findet, die sich an wertkritischen Erkenntnissen orientieren, wird Eberhard Straubs Büchlein „Vom Nichtstun“ nicht mögen. Ihm entgeht jedoch ein kleines, prächtiges Feuerwerk an Gedanken, das der studierte Historiker und Archäologe in sechs Feuilletons abbrennt. Sätze wie „Die kapitalistische Wirtschaft, wie sie sich heute entfaltet, kennt nur die eine, die unpersönliche Freiheit des Marktes“ (S. 8) hatten in der FAZ wahrscheinlich selbst im Feuilleton kaum einmal Platz – auch als dieses noch von Straub redigiert wurde. Auch seine Kritik am „Umbau der Universität zum Großbetrieb“ wohl nicht: „Der Serientyp Doktorarbeit war so erfolgreich wie der kleine, schwarze Ford.“ – Und wie eine Tin-Lizzy-Dissertation sind seine Aufsätze wahrlich nicht angelegt, in denen er lebendige Innenansichten der in Europa herrschenden Vorstellungen von Arbeit und Muße zeichnet, von der „Tugend des freien Bauern“ in Hesiods alter Zeit bis zum heutigen „Glück funktionierender Leistungsträger“.
Straubs Kaleidoskop illustriert in lebendiger Weise Vorgänge und Ideen, die auch anders orientiertem kritischen Nachdenken Anregung geben. So lässt sich, um nur ein Beispiel zu nennen, seine Darstellung der frühmodernen Vorstellung der wie ein Uhrwerk funktionierenden Welt durchaus auch als das ideologische Bild der von der staatlichen Souveränität zum „Lager“ transformierten Gesellschaft (Agamben) lesen.
Alle seine Abneigung gegen die „Idealisierung des Menschen als mußelosen Arbeiter“ führt Straub aber nicht dazu, sich mit dem in der Moderne als soziales Bewegungsgesetz installierten Terror der Ökonomie zu befassen. Seine Überlegungen zu Freiheit, Selbst- und Fremdbestimmung, Marktfrömmigkeit, Wirklichkeitsverlust und Konkurrenz sind lesenswert, er bescheidet sich schließlich jedoch mit der Vorstellung einer neu-humanistischen „Aristokratisierung des Demos“ der Arbeitssklaven aller Klassen am Ende der Arbeitsgesellschaft, und das durch staatlichen Eingriff. Dass es um eine grundlegende Transformation der gesellschaftlichen Beziehungen und des Naturbezugs der Menschheit gehen könnte, nicht um „aristokratische Muße“ gegenüber knechtischer Arbeit, sondern um die Selbstorganisation vielgestaltiger Lebenstätigkeit frei assoziierter Individuen, das alles bleibt außen vor. Leider.
Eberhard Straub: Vom Nichtstun. Leben in einer Welt ohne Arbeit, wjs verlag, Berlin 2004, 144 Seiten, 16 Euro (D).