Bush-Kriege

Streifzüge 33/2005

KOLUMNE Unumgänglich

von Franz Schandl

Wer hätte vor Jahren gedacht, dass Huntingtons böses Spiel so schnell Realität werden würde. Nun ist es blutiger Ernst. Wobei Krieg und Kampf ja nicht mehr die passenden Begriffe sind. Es sind Bestrafungsaktionen, die sich Befreiung nennen. Und jene müssen nicht einmal wirklich begründet werden. Vorwände sind schnell gefunden, notfalls werden sie auch erfunden. Wenn aktuell (zu Recht oder Unrecht) unterstellt wird, dass der Iran die Atombombe bauen will, dann ist nicht der Grund Vater der Maßnahme, sondern die mögliche Maßnahme sucht sich ihre Gründe. Dass Freedom and Democracy selbst die Atombombe besitzen und sie als erste und einzige bisher auch eingesetzt haben, hat dieses Bewusstsein erfolgreich verdrängt.

Nie würde es den USA einfallen, was sie von anderen verlangen, also ihr Waffenarsenal abzubauen. Im Gegenteil, dieses schreit wie jede Ware nach Konsum, also nach Einsatz und Ersatz. Natürlich ist es nicht so, dass Kriege einfach deswegen geführt werden müssten, weil die Rüstungsindustrie ihre Produkte los werden will, aber andererseits sollte man diesen Faktor auch nicht unterschätzen. Je größer dieser Sektor in der Gesellschaft ist, desto entschiedener kann er seine Geschäftsinteressen durchsetzen. Peace keeping ist so oft mit einem Defizit verbunden, das sich auf Dauer niemand leisten kann und will, weder betriebs- noch volkswirtschaftlich.

Im Land der religiösen Eiferer und Fernsehprediger mit einer Unzahl protestantischer Sekten hat man sich voll dem Kampf gegen das Böse verschrieben. Der Gedanke von Freiheit und Demokratie werde „die ganze Welt erfassen“, droht George Bush und sieht schon die Cruise Missiles fliegen. Was in den USA als Erleuchtung erscheint, ist anderswo als Bombenblitz sichtbar. Vogelfrei ist jedes Regime, das dem kapitalen Polizisten nicht passt. Vom Schock in Vietnam hat man sich endgültig erholt. Die Intervention ist ein probates Mittel wie jedes andere, und nicht einmal das letzte. Entsprechende Drohungen gehören zur Weltinnenpolitik.

Selbst den Freunden in Saudi-Arabien oder Pakistan deutet man an, was da auf sie fallen könnte, wenn sie nicht spuren. Es ist zu befürchten, dass es zu keiner Eindämmung der Konflikte im Mittleren Osten kommt, sondern zu einer Ausweitung, etwa wenn der Iran und Syrien, zweifellos zwei äußerst unsympathische Systeme, überfallen oder zumindest mit Luftschlägen bedacht werden. Die arabischen Massen werden so der islamistischen Reaktion regelrecht in die Hände getrieben, die ja schon jetzt auf diesem Glaubenskampf gedeiht. Da sind die Mullahs, denn Mullahs sind die Bush-Christen ebenso, unter sich. Wenn der unerträgliche Bush sagt, dass ein unerträgliches Regime unerträglich ist, ist das unerträglich.

Der Terror dient als Vorwand das zu tun, was man schon immer tun wollte. Das gilt für beide Seiten. Im Ungleichgewicht des Schreckens wird auch der Widerstand gegen das Imperium immer destruktiver und bringt Regimes und Methoden hervor, die mit Emanzipation aber auch schon gar nichts zu tun haben. Das ist zweifellos tragisch, rechtfertigt aber keineswegs die Politik der USA, die ja vielmehr diesen Entwicklungen Vorschub leistet. Es ist nicht selten die eigene Satrapenzucht, die zur Räson gebracht werden muss. Wieder einmal stehen wir vor dem Problem falscher Fronten.

In die Defensive geraten ist auch Wladimir Putin. Russland ist nur mehr der Rest eines einstigen Großreiches, und schon morgen kann das nächste Stück wegbrechen. Der Kreml wehrt sich mit allen (auch grausamsten) Mitteln von der zweiten gar in die dritte Liga abzusteigen. Natürlich ist Putin ein autoritärer Herrscher, aber ohne einen solchen wäre das russische Restreich schon vollends im Chaos der Bandenkriege versunken. Und es ist auch nicht unbedingt der Autoritarismus das Problem der NATO, sondern dass Putin die Repression eigenwillig einsetzt. „Sanktionen! „, schreien daher die Demokraten.

Man muss es mit aller Deutlichkeit sagen: Die USA sind heute der größte apokalyptische Vorreiter globaler Barbarisierungsprozesse, und zwar aus dem banalen Umstand, weil sie die größte staatlich organisierte Kraft des Kapitals darstellen. Auch wenn es im Streit Europäische Union contra USA keine bessere Seite gibt, haben Letztere aufgrund ihrer vorauseilenden Entwicklung schon ein größeres Stück Regression hinter sich gebracht als Europa. Gerade das soll nicht diskutiert werden. Als Selbstimmunisierungsstrategie dient der Anwurf des Antiamerikanismus. Etwas, das durchaus kritisierenswert ist, fungiert als argumentativer Totschläger. Ziel ist es, die Kritik an den Ungeheuerlichkeiten und Absichten zu ersetzen durch die Desavouierung jeder Kritik. Vor allem auch durchgeknallte Ex-Linke betreiben dieses liberale Geschäft.

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