Eine Gegenüberstellung
von Franz Schandl
Mal was anderes. Nicht dass man jeden Untergriff oder jede Diffamierung beantworten sollte, wird hier gesagt, da käme ich ja zu sonst gar nichts mehr. Manchmal allerdings bietet es sich auf die Schnelle an. Also ein Beispiel:
Was so über mich geschrieben wird:
„Nichts ist schlimmer als das Kapital“, schrieb Franz Schandl im Dezember in der jungen Welt. Nicht der al-Qaida-Terror? Nicht der Holocaust? Sein alter Weggefährte Werner Pirker lehnte einst mit dieser Begründung Antifaschismus ab. Der einzig echte Antifaschismus sei der Antikapitalismus. Alles andere sei nur die Verteidigung der bürgerlichen Gesellschaft.
Und in der Tat: Macht sich eine Emanzipationsbewegung, die heute, innerhalb dieses Systems für bestimmte Freiheiten eintritt, nicht automatisch zum Verwalter des Systems, zum Arzt am Krankenbett des Kapitalismus? Aber selbst wenn: Kann es nicht sein, dass Schandl nicht nur Unrecht hat, sondern dass zumindest partiell das Gegenteil zutrifft? Dass das Kapital hierzulande kein Interesse an Rassismus hat, sondern an neoliberaler, globaler Wirtschaftsfreiheit, und deshalb mehr Geld und Kraft in die Bekämpfung von Faschismus steckt als etwa ein Herr Pirker, der die ba’athistischen Faschisten im Irak mit Spenden unterstützt? Und müsste man nicht zu dem Schluss kommen: Nichts ist schlimmer als der Holocaust! Ist es nicht scheißegal, ob es bürgerlich oder reformistisch ist, Flüchtlingen Schutz zu gewähren, sich gegen Antisemitismus zu engagieren, Nazidemonstrationen zu verhindern, weil das, was uns droht, noch viel schlimmer ist? Oder ist das die bürgerliche Volksfront gegen einen Faschismus, der mehr Projektion als reale Bedrohung ist?
So oder so. Perspektiven für linke Politik öffnen sich bei dieser Betrachtung des Emanzipationsbegriffs noch nicht. Aber ohne über Freiheit zu reden, über Befreiung, ohne über Emanzipation zu reden, ergibt es keinen Sinn, linke Perspektiven zu diskutieren. Ein Zurück zum Stalinismus darf es nicht geben. Humanismus, Aufklärung, Idealismus haben dazu geführt, dass das Schicksal des Menschen, die Verhältnisse, in denen er lebt, auf den Menschen selbst zurückgeführt werden können. Marx hat erkannt, dass die ökonomische Entwicklung und der soziale Stand der Menschen entscheidend zu diesem Prozess beigetragen haben und der Kampf um die soziale Gleichberechtigung auch nach Vollendung des bürgerlichen Projekts fortgesetzt werden muss, um zu wirklicher Freiheit zu gelangen. Nur welche Freiheit? Vielleicht ist ja auch das die eigentliche Frage.
(Ivo Bozic, Jungle World 47 vom 10. November 2004)
Und was ich wirklich gesagt habe:
Wenn Anton Landgraf in der Jungle World meint, die Terroristen seien schlimmer als das Kapital, dann ist ihm zu entgegnen, daß nichts schlimmer ist als das Kapital, und daß diese Herrschaften nichts anderes ausdrücken als die destruktive Seite seines Zerfalls. Die hat nun die Ruhe in der Ersten Welt gestört: Denn Krieg hat hier nichts zu suchen, von hier geht er höchstens aus. Selbstverständlich sind die Attentäter keine fehlgeleiteten Heroen, sondern durchgeknallte Charaktermasken, Ausgeburten wahnwitziger Realitäten.
Der Islamismus ist rigoros abzulehnen. Mit ihm gibt es kein Bündnis, nicht einmal ein partielles. Der Fetisch Religion und vor allem all seine Zuspitzungen sind ein Hindernis der Emanzipation. Wenn sie in Zeiten der Krise noch einmal aufblühen, dann kann sich die Menschheit auf einiges gefaßt machen. Und doch: Wer sie niederbombt, munitioniert sie auf! Das christliche Abendland mit seinem Gottvater namens WERT ist übrigens integraler Bestandteil dieses Szenarios. Es gibt kein Innen und kein Außen mehr. Auch sagt die Form des Wahnsinns letztlich wenig über die Intensität der Verrücktheit.
Wo Gelassenheit im Denken gefragt wäre, erobert die Pathologie des Daseins Region um Region, Sektor um Sektor. Der Amoklauf ist die Folge, auch der geistige, jedenfalls auf den Seiten der Bahamas. Nur so kann ihr Geschrei, die Afghanen doch „mit allen Konsequenzen dem kapitalistischen Warenfetisch direkt zu unterwerfen“ (Bahamas 36), verstanden werden. Das ist nichts anderes als eine zu spät gekommene Kolonialphantasie. Oder wollen die Spätaufklärer dort Fabriken gründen, die am Weltmarkt bestehen können? Oder gar florierende Aktienbörsen, damit die Bin-Laden-Bande auch zu Hause spekulieren kann? Wie soll denn diese Diktatur des Werts ohne Verwertung ausschauen? Ist nicht gerade Afghanistan bereits ein Musterbeispiel dieser unmöglichen Möglichkeit menschlicher Existenz?
(Franz Schandl, Junge Welt vom 27. Dezember 2001 http://www.jungewelt.de/2001/12-27/018.php; nachzulesen auch in der Langfassung „Manisch germanisch“, Streifzüge 3/2001)
Tja, wenn jetzt noch jemand erzählt, ich fände die Warenzirkulation von Brötchen, Sandalen und Kühlschränken eigentlich schrecklicher als die systematische Ermordung einiger Millionen Menschen in den Vernichtungslagern der Nazis, gibt’s sicher einige, die’s glauben. Ganz sicher!
Ich bitte also, und nicht nur in diesem Fall, um Unterstützung und Weiterleitung. Danke.