Horizontale Andacht

3000 ANSCHLÄGE GEGEN DIE DUMMDREISTIGKEITEN DES OLIVER MARCHAT

Streifzüge 3/2003

von Franz Schandl

Und wir Bösen dachten schon, wenn es an die Wahl zum blödesten Artikel des Jahres ginge, dass dieser Preis irgendeiner antideutschen Geistesgröße zufiele. Mitnichten. Es mag vielleicht keine Irreren geben als die Antideutschen, aber zweifellos gibt es Dümmere. Zum Beispiel einen gewissen Oliver Marchart, seines Zeichens Podiumsreferent am so genannten „Kommunismus-Kongress“ zu Frankfurt im November.

Marchat ist ein Meister der Horizontalisierung des Kommunismus, was meint, er erniedrigt ihn auf das demokratische Plateau. Die zentralen Sätze der horizontalen Andacht gehen so:

1. „Außerhalb des demokratischen Horizonts ist eine emanzipatorische Alternative zum Status quo nicht mehr formulierbar. “

2. „Der demokratische Horizont ist, wie jeder Horizont, unüberschreitbar. “

3. „Die westlichen Demokratien füllen den demokratischen Horizont keineswegs aus. “

4. „Es geht um die Hegemonisierung des demokratischen Horizonts, nicht um seine Überschreitung. “

5. „Es braucht keinen pathetischen Ruf nach , Revolution‘ des demokratischen Horizonts, denn die Revolution hat bereits stattgefunden. Der Horizont gründet auf ihr, er ist Revolution. “

6. „Wenn das Prädikat , kommunistisch‘ noch Sinn haben soll, dann im Rahmen des demokratischen Horizonts und nicht außerhalb. “

7. „Worum sich emanzipatorische Politik heute dreht, ist die Reaktivierung der unabgegoltenen Potenziale des Gründungsereignisses der demokratischen Revolution, ist die Rifondazione des demokratischen Horizonts.“ Erschienen ist dieses Machwerk in der

Jungle World vom 15. Oktober, was wohl nach der offensichtlichen antideutschen Pleite auch deren neue Stoßrichtung verdeutlicht. Alle Zitate sind original, keine Persiflagen. Warum nun ausgerechnet Horizont (Partizip Präsens von „horizein“ – also das Begrenzende) zu einem neuen Modewort werden soll, wo doch derselbige des Schreibers so begrenzt ist, ist aber kein Rätsel sondern eine Entschlüsselung. Kommunismus wird jedenfalls nicht mehr als notwendige Grenzüberschreitung, Abschaffung und Bruch verstanden, sondern als das Geschwätz der akademischen Freier im Sperrbezirk des Kapitals. Was soll dieser Frankfurter Kommunismus- Kongress eigentlich werden? – Ein Begräbnis für Zu-Spät-Gekommene?

Über demokratisches Stänkern kommt unser Autor nirgendwo hinaus. Es ist geradezu erschreckend wie der Rosenkranz der Aufklärung sich in diesen Gebeten offenbart. Ignoranz gepaart mit Penetranz zeitigt allerdings Regression pur. Nur weil Marchat seinen Horizont nicht überschreiten kann, ist nicht der induktive Schluss zulässig, dass dies überhaupt unmöglich sei. Dass da einer seine Affirmation als Reflexion, ja gar als Kommunismus missverstehen will, lässt einem nur noch die Verwünschung offen. Was soll man da noch sagen? Gar diskutieren? „Solch ein Meisterwerk kritisiert man nicht. Man verdürbe sich den Spaß an seiner Fratzenhaftigkeit.“ (Karl Marx/Friedrich Engels)

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