Wohnen ist ein Grundbedürfnis von Menschen, egal ob mit Papieren oder ohne, egal ob lieber in Häusern oder in Wägen, egal ob mit viel Kohle oder bettelnd.
Für viele wird es immer schwieriger, sich die hohen Mieten in Wien zu leisten. Der soziale Wohnbau hatte schon mal bessere Zeiten erlebt und aktuelle Forderungen nach mietfreiem Wohnen auf Betriebskosten waren in der Zwischenkriegszeit bereits Praxis der sozialdemokratischen Regierung. So betrugen die Kosten für eine Gemeindewohnung in dieser Zeit 5-8% des Durchschnittseinkommens der ArbeiterInnen. Die Miete setzte sich lediglich aus Betriebs- und Instandhaltungskosten zusammen. Möglich wurde dies auch durch die Einführung von Luxusteuern.
Heute sind die Diskussionen um Stadtplanung vor allem kommerziell ausgerichtet, das urbane Leben wird auf wirtschaftliche Standortfragen reduziert. Mit dem Schlagwort Wiederbelebung ist nicht eine Steigerung der Lebensqualität gemeint, sondern es geht darum aus Wohnbezirken Investitionsgüter zu machen. Die Aufwertung von innenstadtnahen Wohngebieten bedeutet die Verdrängung von ärmeren und weniger angesehenen Gesellschaftsschichten an den Stadtrand. Dieser Prozess wird auch „Gentrifizierung“ genannt: dahinter steht eine kalkulierte Vorgehensweise mit dem Ziel kaufkraftstärkere MieterInnen, InvestorInnen und TouristInnen anzuziehen. Damit steigen auch Stück für Stück die Mieten und der öffentliche Raum wird zugunsten von Konsumräumen beschnitten, überwacht und reguliert.
Ein älteres Beispiel dafür ist die Gentrifizierung des Spittelbergs: So war es mal eine verrufene Gegend, in der Menschen die nichts oder fast nicht besaßen wohnten, während heute schmucke Läden, hippe Lokale, junge BewohnerInnen und eine immer noch wachsende Ansiedlung von Kreativen aller Sparten den 7. Bezirk zur Trendregion par exellence machen. So in einer Broschüre der Stadt Wien beworben(1). 1914 wurden bei einem sogenannten „Kehraus“ auf Bemühen von Polizei, Bezirksvertretung und HausbesitzerInnen, die GauklerInnen, SexarbeiterInnen und StraßenkünstlerInnen aus dem Viertel vertrieben. Heute werden BettlerInnen vertrieben, da sie KundInnen abschrecken würden. Der Spittelberg konnte zwar in den 70ern vorm Abriss gerettet werden, jedoch wurden durch die Generalsanierung die meisten der damaligen MieterInnen (oft mit Migrationshintergrund) rausgeschmissen, die sich dann später die sanierten Wohnungen nicht mehr leisten konnten.
Der öffentliche Raum hat eine klare Zweckwidmung bekommen, Freiräume kommen darin nur noch als Konsumräume vor, für jene die es sich leisten können. Die wenigen Bänke die es noch gibt müssen Gastgärten weichen, ohne Konsum gibt es keine Berechtigung mehr den Raum zu nützen. Nun wird nach neuen Investitionsmöglichkeiten gesucht und gürtelnahe Gebiete wie Westbahnhof, oder der ehemalige Südbahnhof werden mit riesigen Projekten aufgewertet. Die Stadtpolitik rühmt sich mit ihrem sozialen Wohnbau der seit Jahren abgebaut wird und Mietbeihilfen die der Gentrifizierung entgegenwirken sollen. An kreativere, sozialere und selbstverwaltetere Lösungen wird dabei nicht gedacht, stattdessen werden Wagenplätze und Hausbesetzungen die Leerstand wiederbeleben und nutzen wollen aktiv verhindert.
Die Immobilien-Branche fordert, dass der Markt die Mieten regulieren soll: die „freie Preisbildung“ soll dabei nicht durch Vereinbarungen wie den MieterInnenschutz behindert werden. Dafür sollen aber staatliche Mietzuschüsse sicherstellen, dass sich auch Ärmere, Wohnungen leisten können. Klingt ja schön und gut, nur werden damit letztendlich vor allem die Einnahmen der VermieterInnen gesichert, anstatt leistbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Die Mietbeihilfe ist eine wichtige Unterstützung, aber eben nur für jene Menschen, die nach dem Single bzw. Kleinfamilienmodell leben und die nicht vom Staat illegalisiert werden. Gleichzeitig bewirkt sie aber eine Stabilisierung der hohen Preise am Wohnungsmarkt und nützt so viel mehr den InvestorInnen. Nur mit Mietbeihilfe können sich viele MieterInnen die überhöhten Mieten, Provisionen und Kautionen auch leisten. So mag der freie Markt vielleicht die Einnahmen der VermieterInnen, HauseigentümerInnen etc. regulieren, dass Wohnraum ein Grundbedürfnis und Recht für alle Menschen ist, wird dabei übersehen und Obdachlosigkeit in Kauf genommen.
Anstatt Armut und Obdachlosigkeit zu bekämpfen, werden immer mehr Arme und Obdachlose bekämpft und aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Betteln wird kriminalisiert und Leerstand geschützt anstatt zu einer allgemeinen Nutzung freigegeben. Die Regulierung der Wohnungsfrage durch den Markt führt dazu, dass Wohnungen und Geschäfte lieber leer gelassen werden als vermietet, da dies profitabler ist. Die Nutzung von Brachflächen durch Menschen die ein Leben in Wägen vorziehen wird durch absurde Bauvorschriften verunmöglicht, die Belebung von leerstehenden Häuser mit teuren Polizeieinsätzen verhindert. Anstatt hipper Wohnprojekte, wie „sicheres Wohnen“, Bahnhofcity etc. zu fördern und Grätzel aufzuwerten damit höhere Mieteinnahmen erzielt werden können, wollen wir einen Ansatz der dem Grundbedürfnis nach Wohnraum für alle Menschen und einem selbstbestimmten Leben Rechnung trägt.
Darum rufen wir zur Demo für Mieten auf Betriebskostenbasis und zur Schaffung von mehr kollektiven, selbstverwalteten Räumen zum Leben, Arbeiten und Lernen auf:
Vom Traum zum Raum! Demo 5.3. 13:00 Praterstern, Wien
Hausprojekte ermöglichen und Wagenplätze legalisieren!
Leistbares Wohnen für alle – Selbstverwalten statt Aufwerten!
Für weitere Infos zum Thema wohnen gibts eine ganze Ausgabe der Streifzüge: https://www.streifzuege.org/thema/wohnen (1)www.wien.gv.at/multimedia/wien-international/pdf/wienmodern.pdf
Mehr infos auf: platzangst.noblogs.org
demoplakat