Die Herrschaft des Unverschämten

Assoziationen zum Durchmarsch des Donald Trump

 

von Franz Schandl

 

 

Natürlich ist es frappierend, wie viel Primitivität und Impertinenz so einfach Fuß fassen können. Doch zentral bleiben nach wie vor die unbeantwortete Fragen: Warum verhalten sich seine Anhänger wie sie sich verhalten? Warum wählen sie ihn? Was formt diese Wähler zu Fans? Die Fanatiker fallen ja nicht vom Mars, sie sind die logischen Produkte der entwickeltesten kapitalistischen Demokratie auf diesem Planeten. Und Trump ist ihr ausgereiftester Prototyp.

 

Der Fanatismus, das blinde Anhängertum, steht in voller Blüte. Die Zuneigung ist nicht verschämt, sie ist unverschämt. Seine Wähler stehen zu ihm, er ist ganz ihr Mann. Er macht sie glücklich. Er befriedigt ihre Projektionen. Er ist wie sie gerne sein wollten, wenn sie könnten: rücksichtslos und erfolgreich. Er ist noch mehr wie sie als sie selbst. Identifikation steigert sich in Überidentifikation. Egal was er sagt, es stimmt. Egal was er tut, er handelt richtig. Auch wenn es gar nicht egal ist, ist alles ziemlich egal geworden.

 

Gegen das abgekartete Spiel der Demokraten (womit nicht nur die US-Demokraten gemeint sind), die einmal mehr den Spagat aus Kapital und Reklame probierten, die von linksliberal bis neoliberal alles abdecken und abholen wollten, wirkt die Trumpsche Direktheit geradezu anziehend ob ihrer Offensichtlichkeit. Sie ist geil in ihrer Obszönität, und geil ist es, sich darin zu sonnen.

 

 

Kulturindustrieller Supergau

 

Gerade die ungeschminkten Auftritte und all seine Hüftschüsse imponieren. Das Fußvolk der Beherrschten, ganz Ausdruck ihrer Unterdrückung, schätzt das alles in seiner Gemeinheit ungemein. Sich und es und ihn. Die Underdogs fühlen sich nunmehr weniger als Geschlagene denn als Schläger. Sie glauben, dass ihnen das guttut. Die Leute wollen sich den Dreck einfach nicht mehr gefallen lassen, sie wollen noch mehr davon. Sie stehen Spalier. Endlich great again. Indes die Verherrlichung der Underdogs ist so übel wie deren Verächtlichmachung. Beide instrumentalisieren sie gegen sie, beide wollen, dass jene bleiben, wo sie sind: unten.

 

Wenn die Gegner behaupten, Trump lüge ununterbrochen, er rede Scheiße, noch dazu sei er kriminell, dann mag das alles stimmen, aber Trump kann nur noch lachen und ein beträchtlicher Teil des Publikums lacht mit. Je lauter, je abgedrehter, je gröber Trump ist, desto mehr Zustimmung findet er. Dummheit ist kein Kriterium, außerdem schützt es vor Erfolg nicht.

 

Trump hat die Larve bereits abgenommen, während die anderen noch immer auf ihrem Maskenball tanzen, und meinen, das „freedom and democracy“-Spiel sei ewig weiter zu inszenieren. Doch das ist, so pfeifen es alle Spatzen vom Dach, in einer schweren Krise, der mit choralem Absingen der Werte nicht abzuhelfen ist.

 

Big Business und mediale Infamie feiern (auch dank Elon Musk) einen kulturindustriellen Supergau. Trump ist ein Beispiel, ja das Beispiel dafür, dass die Lüge keiner Finessen mehr bedarf, sondern sich unverblümt äußern kann. Trump ist in seiner Gemeinheit und Grobheit auf jeden Fall ehrlicher als seine Gegner. Nicht einmal gekonnt lügen muss er. Da arbeitet einer ohne Cache. Er bedarf keiner Verrenkungen und Kniffs mehr. Er ist in seinem Auftritt ganz bei sich wie außer sich. Er ist der Authentifikator einer great identification. Trumps Sieg ist nicht ein Sieg der Lüge über die Wahrheit, sondern ein Sieg der Lüge über die Verlogenheit.

 

Bashing gleich Pushing

 

Die Aufklärung über ihn hat nicht nur versagt, sie hat vollends gesiegt. Er hat gerade deswegen gewonnen. Womit sie ihn fertig machen wollten, hat als Reklame gezogen. Bashing meint Pushing. Mit Trump kommt diese Aufklärung, d.h. die Skandalisierung und Aufdeckerei an ihr konventionelles Ende. Das ist zwar nicht besser als das Gegenteil, aber es kündet überdies vom Finale der Politik und deren Auflösung im kulturindustriellen Entertainment. Mit Trump dreht auch das investigative Treiben seine letzten Runden. Es ist an die Wand gefahren und weiß nicht warum. Es kümmert immer weniger, und die Erfolge waren auch bisher schon welche des Spektakels und nicht irgendeiner Substanz. Es beförderte selbst die Auflösung der traditioneller Politiken und stärkte das populistische Szenario.

 

In geradezu seniler Frische und absoluter Unbekümmertheit hat der alte weiße Mann gesiegt. Der scheinbaren Emanzipation der Wokeness wird der ungeschminkte Maskulinismus der tatsächlichen Reaktion entgegengesetzt. Dafür erklimmt die Oligarchisierung des Politischen neue Höhen. Eigentlich müsste zur nächsten US-Präsidentschaftswahl Elon Musk gegen Bill Gates antreten. Vielleicht tun sie es eh. Geld hätten sie ja genug. Und das ist entscheidend.