Geplatzter Dreier, Kickl Kanzler

Von Franz Schandl

Der projektierte Dreier zwischen ÖVP, SPÖ und liberalen Neos, die sogenannte Zuckerlkoalition war bereits Geschichte, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Behauptete man über Wochen stets den Fortschritt in den Gesprächen, so sind sie nunmehr geplatzt wie eine Seifenblase. Verwunderlich ist das nicht, auch wenn das Ende der Verhandlungen doch überraschend gekommen ist. Nach dem Ausstieg der Neos und dem Abgang Karl Nehammers als Kanzler und Parteichef der ÖVP, ist die Sache flott und endgültig kollabiert. Das war’s dann.

Das Scheitern war vorprogrammiert, wenngleich auch nicht schon vorab. Das ganze Land wusste: Die wollen nicht miteinander, aber sie müssen, möchten sie die Freiheitlichen an der Regierung verhindern. Im Hintergrund drohte stets der blaue Mann, vor dem sich alle fürchteten. Die Basis war zu schmal, um sie in gemeinsame Vorhaben zu übersetzen. Sie wollten und konnten nicht, was sie hätten müssen sollen. Der Aufbruch war nie einer und so hielt sich die öffentliche Sympathie in engen Grenzen. Ein langes Leben hätte diese Koalition sowieso keines gehabt.

Jede Forderung, die von Andreas Babler und der SPÖ vorgetragen wurde und auch nur ein klein wenig an der Macht des Kapitals kratzte und deren Vorgaben ein bisschen in Frage stellte, wurde abgeschmettert und abgekanzelt. Die Volkspartei wird kein Programm unterschreiben, das „wirtschaftsfeindlich, wettbewerbsfeindlich und leistungsfeindlich“ sei, so Nehammer an die Adresse der SPÖ. Dieser will man nun partout das Scheitern zuordnen, obwohl gerade sie bis um Schluss bereit gewesen wäre, fast alles zu schlucken, was man ihr zumutete.

Standort, Konkurrenz, Wachstum sind als kapitalistische Prämissen nicht kritisierbar, sie werden als Bekenntnisse vorausgesetzt. Zweifellos spiegelt das auch einen Konsens in der Bevölkerung wieder, so grotesk dieser auch sein mag. Es ist so. Die destruktive Substanz solcher Prinzipien wird nicht wahrgenommen, so sehr der Planet und alles Leben auch an den Folgen dieser ungehemmten Durchsetzung leiden. Da wird nichts in seinem Kontext gedacht. Dafür werden immerzu Werte plakatiert, denen wir alle verpflichtet sind und zu gehorchen haben.

„Seit gestern hat sich die Situation geändert“, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen am letzten Sonntag. Am Montag vergab er dann dieser Logik entsprechend den Regierungsbildungsauftrag an Herbert Kickl, dem Parteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Es war nichts anderes mehr zu erwarten, weil möglich. Es wird jetzt kommen, was früher oder später sowieso gekommen wäre: eine sich aufdrängende Koalition zwischen FPÖ und ÖVP. Die ÖVP muss nach dem fliegenden Wechsel nun freilich den Kotau vor der FPÖ und insbesondere vor Herbert Kickl machen. Das wird sie tun, und es wird ihr unmittelbar nicht gut tun, denken wir an die zahlreichen Wahlen, die heuer noch anstehen.

Aber eines hat die ÖVP wiederum erreicht, sie ist weiterhin in der Regierung vertreten. Und das seit 1987. Und sie wird gut verhandeln, vor allem was Posten und Ämter betrifft. Wenn man das Personalreservoire der FPÖ kennt, dürfte die ÖVP sogar die bestimmende Kraft bleiben. Erfahrung als Machtakkumulationsmaschine hat sie. Was die inhaltlichen, vor allem die wirtschaftspolitischen Vorstellungen betrifft, brauchen sich ÖVP und FPÖ gar nicht erst zu suchen, um sich zu finden. Man vergleiche das marktradikale Wording. Da ist jede Annäherung überflüssig. Daher ist „die Wirtschaft“ als geeinter Hayek so geil auf Blau-Schwarz. Wenn es sich wo spießen sollte, so am ehesten auf internationalem Parkett, betreffend den Krieg in der Ukraine oder der Positionierung in der Europäischen Union. Mehr Orbán, weniger von der Leyen, dürfte angesagt sein. Aber auch das entspricht der globalen Entwicklung.